Finanzen

In der aktuellen KOPO: Bildungsinfrastruktur vom Bund?

Die Regierungschefs von Bund und Ländern hatten sich im vergangenen Jahr auf eine Neuordnung der Bund-Länder Finanzbeziehungen verständigt. Der Bundestag hat sich in erster Lesung damit befasst und bislang sechs Anhörungen im Haushaltsausschuss durchgeführt. Mehr Geld für die Länder, mehr Kompetenzen für den Bund: Die Bundesländer sollen ab 2020 jährlich mit rund 9,7 Milliarden Euro entlastet werden. Im Gegenzug würde der Bund mehr Kontroll-, Steuerungs- und Prüfrechte, besseren Zugriff auf die Steuerverwaltung und die Möglichkeit erhalten, in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen zu investieren. Der Hauptgeschäftsführer der KPV, Tim-Rainer Bornholt, über „vergiftete Geschenke“ und deren weitreichende Konsequenzen.

Der Bund soll zudem finanzschwachen Kommunen finanziell unter die Arme greifen dürfen, um Schulen und andere Bildungsinfrastrukturen zu sanieren. Der Fonds dazu ist schon mit weiteren 3,5 Mrd. Euro verdoppelt worden. Der KPV-Bundesvorsitzende Ingbert Liebing hatte dies als „vergiftetes Geschenk“ bezeichnet. „Auf der einen Seite ist das finanzielle Engagement des Bundes für viele Kommunen eine große Hilfe. Aber solch eine Ausweitung der Mitfinanzierungskompetenz des Bundes ist nicht unkritisch: Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen führen zu keiner Klärung von Verantwortung, wirken oft als ‚goldener Zügel‘ und schränken die grundgesetzlich garantierte Kommunale Selbstverwaltung eher ein. Wenn der Bund die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen verbessern will, kann er dies auch ohne Grundgesetzänderung über einen höheren Umsatzsteueranteil der Kommunen machen.“, so Liebing.

Bundeshilfen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur seien der falsche Weg, weil sich die Länder auf diese Weise ein Stück weit ihrer Verpflichtung gegenüber den Kommunen entziehen. Es ist am Grundsatz festzuhalten, dass für eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen die jeweiligen Bundesländer verantwortlich und zuständig sind – auch im Bereich der Bildungsinfrastruktur.
Es dürfe nicht der dauerhafte Fehlanreiz gesetzt werden, dass Länder künftig Kommunen bei Investitionsbedarf an den Bund verweisen. Es bestehe die Gefahr, dass bei der Definition ‚finanzschwacher‘ Kommunen falsche Anreize gesetzt werden. Die Einbeziehung von Kassenkrediten wäre dabei nicht zielführend. Für eine strukturelle Finanzschwäche müssen die kommunalen Einnahmen, insbesondere das Einkommensteuer- und das Umsatzsteueraufkommen sowie die Ausgaben betrachtet werden. Dabei sind nach Auffassung der KPV die Sozialaufwendungen einer Kommune in ihrer Struktur von besonderer Bedeutung.

Der Deutsche Städtetag spricht sich für eine solche Hilfe für finanzschwache Kommunen aus. Gerade Kommunen in NRW und Rheinland-Pfalz sind über Jahre und Jahrzehnte in die Schuldenfalle getrieben worden, diese Länder haben kaum Erfolge im Strukturwandel erzielt und klebrige Finger bei den Bundesmitteln für Kommunen.

Andere Bundesländer mit Bayern an der Spitze statten ihre Kommunen finanziell ordentlich aus, verhindern Kassenkredite und geben Mittel des Bundes eins zu eins an die Kommunen weiter. Die kommunalen Amt- und Mandatsträger, die sich seit langem um ausgeglichene Haushalte kümmern und es nicht gescheut haben, so manche auch unpopuläre Maßnahmen in der Bürgerschaft durchzusetzen, erhalten nun ein falsches Signal: Wer heute nicht finanzschwach ist, erhält nichts vom Bund. Wer aus eigener Kraft den Strukturwandel angepackt und bewältigt hat, geht leer aus. Ein fatales Signal an tausende engagierte kommunale Amts- und Mandatsträger.

Und es ist ein fatales Signal gerade an die SPD-Landesregierungen, die ihre Kommunen systematisch ausbluten lassen. Spätestens wenn die Schuldenbremse in den Ländern greift, wird dies auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen und mehr finanzschwache Kommunen werden Hilfe beim Bund suchen und finden müssen. Die echte Not finanzschwacher Kommunen und kommunale Solidarität täuschen über diese schwerwiegenden Folgen hinweg. Wer kann schon nein sagen zu zusätzlichen 3,5 Mrd. Euro für den Kommunalen Bereich; schön, wenn die kommunalen Bildungsinfrastrukturen, also in erster Linie Schulen, instand gesetzt werden. Aber warum sollen Schultoiletten in Oberhausen vom Bund erneuert werden und in Düsseldorf nicht? Wie will der Bund in Zukunft erklären, dass er nicht für die Schulausstattung zuständig ist?

Mit der geplanten Änderung des Grundgesetzes Art 104 c jedenfalls öffnet der Bund eine „Büchse der Pandora“. In der Bundestagsdebatte mahnte der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble MdB in Richtung der Bundesländer, die im Bundesrat bereits umfangreiche Änderungen gefordert hatten, bei den beschlossenen Vereinbarungen zu bleiben und die Pakete nicht wieder aufzuschnüren. Schäuble betonte, dass es nicht gelungen sei, den Finanzausgleich grundlegend transparenter und berechenbar aufzustellen. Im Bund-Länder-Verhältnis sei man in einer „grundsätzlich richtigen Ordnung nicht gut aufgestellt“, sagte der Minister. Daran müsse in Zukunft gearbeitet werden.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus MdB stellte in der Debatte klar, dass die Ministerpräsidentenkonferenz kein Verfassungsorgan sei, Gesetze immer noch im Bundestag gemacht würden, völlig egal, ob sich die Länder 16 zu null oder 15 zu eins einigten. Der Christdemokrat kritisierte ebenfalls die „Entsolidarisierung der Länder“. Das möge zwar die Bayern freuen, aber Berlin werde damit zum Kostgänger des Bundes. Die Entlastung der Länder in Höhe von zehn Milliarden Euro ab 2020 „tut uns weh“, sagte Brinkhaus mit Blick auf den Bundeshaushalt.
Sollten weitere Bundesgelder an Länder und Kommunen fließen, schränke der Bund seine Spielräume ein. Grundsätzlich seien ohnehin die Länder für die Finanzausstattung ihrer Kommunen zuständig, betonte der Christdemokrat. Anders als Grüne, SPD und Linke brach Brinkhaus eine Lanze für das Kooperationsverbot. Dies sei grundsätzlich richtig. Mischfinanzierungen seien „Gift für den Föderalismus und Gift für die Demokratie“. Sie unterliefen das Prinzip klarer Verantwortungszuweisung.

Die Federführung für die Gesetzentwürfe liegt beim Haushaltsausschuss. Dieser hat 6 Anhörungen durchgeführt. Die geplanten Regelungen zu Bundesfinanzhilfen für finanzschwache Kommunen, um Bildungsinfrastrukturen zu sanieren, sind bei Sachverständigen in einer Anhörung im Haushaltsausschuss auf ein geteiltes Echo gestoßen. Unter anderem der Bundesrechnungshof sieht die geplante Neuregelung kritisch. Das Vorhaben stelle einen „weitreichenden Schritt“ dar, „der von der klaren verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im föderalen System wegführt“. Es fehle in den Entwürfen an „ausreichenden Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die es dem Bund ermöglichen würden, einen sachgerechten und wirtschaftlichen Mitteleinsatz sicherzustellen“, schreibt der Rechnungshof in seiner Stellungnahme.

Prof. Dr. Christian Waldhoff vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht der Humboldt-Universität zu Berlin stellte sich gegen die Einführung des geplanten Artikel 104c des Grundgesetzes. Dieser sei aus „verfassungssystematischen und demokratietheoretischen Gründen abzulehnen“, schrieb der Rechtswissenschaftler in seiner Stellungnahme. Sollte das Vorhaben trotzdem umgesetzt werden, müsse dann zum einen der Bund festlegen, was finanzschwache Kommunen sind. Zum anderen müssten die bisher geplanten Kriterien zur Verteilung der Mittel überarbeitet werden. Aktuell ist vorgesehen, die Mittel zu je einem Drittel nach Einwohnerzahl, Höhe der Arbeitslosigkeit und Höhe der Kassenkredite an die Länder zu vergeben.

In eine ähnliche Richtung argumentierte Prof. Dr. Thiess Büttner vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Mittelverteilung teils an der Höhe der Kassenkredite festzumachen, sei problematisch, denn es handle sich um einen „Finanzausgleich nach dem Rückspiegel“. Das Geld fließe dann dahin, „wo in der Vergangenheit mehr ausgegeben wurde. Das müssen aber keineswegs Gemeinden sein, die einen ungedeckten Investitionsbedarf haben“, schreibt Büttner in seiner Stellungnahme. Zudem würden jene Länder „bestraft“, die ihren Kommunen nicht gestattet haben, Kassenkredite in Anspruch zu nehmen.

Prof. Dr. Hans-Günter Henneke vom Deutschen Landkreistag sprach sich ebenfalls gegen die Einführung des Artikel 104c des Grundgesetzes aus. Damit würden „bewährte Verantwortungsstrukturen“ zerstört. Die Länder, die schon bisher ihre Kommunen nicht angemessen ausgestattet haben, würden in Zukunft umso lauter auf eine Investitionshilfebefugnis des Bundes nach Einfügung eines Artikels 104c des Grundgesetzes verweisen. Völlig offen bleibe dabei, ob der Bund dann tatsächlich in neue Finanzhilfeleistungen eintritt, heißt es in Hennekes schriftlicher Stellungnahme. Wenn der Bund die Kommunen unterstützen wolle, dann wäre es sinnvoller, Mittel über eine Erhöhung der sogenannten Entflechtungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dies sei auch schon beim sozialen Wohnungsbau praktiziert worden.

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