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Von starken Kommunen zum starken Europa

Rund 600 kommunale Mandatsträger kamen Freitag und Samstag nach Kassel, um auf dem Kongress-kommunal 2011 der KPV über die Zukunft der Kommunen im Zeichen der Eurokrise zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen. Auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, eine Rede zu halten und ihre Position zu den Themen Eurobonds, Energiewende und Bildungspolitik – auch und gerade in Bezug auf die Kommunen – zu verdeutlichen.

Als Peter Götz MdB, Bundesvorsitzender der KPV und kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Veranstaltung am Freitagnachmittag (18.11.2011) im Kongress-Palais Kassel eröffnete, war der Saal zum Bersten voll. Alle Gäste warteten mit Spannung auf die Rede der Kanzlerin, die es sich trotz des vollen Terminkalenders in dieser politisch höchst turbulenten Zeit nicht nehmen ließ, direkt zu den kommunalen Mandatsträgern zu sprechen.

Götz verwies in seiner Rede auf den gerade erfolgreich abgeschlossenen CDU-Parteitag in Leipzig und lobte die Bundesregierung für ihre gute Kommunalbilanz. Er erinnerte an die Übernahme der Grundsicherung durch den Bund und die Einführung des Bildungspaketes. "Die Maßnahmen reihen sich ein in die strikt kommunalfreundlichen Wegmarken der christlich-liberalen Koalition", so der CDU-Politiker. Die vom Statistischen Bundessamt veröffentlichen Kassenergebnisse der Kommunalhaushalte für das 1. Halbjahr 2011 belegten einmal mehr, dass die Kommunen von dem Wachstums- und Arbeitsmarktimpuls der unionsgeführten Koalition seit 2010 enorm profitierten. Auch die gerade im Bundestag verabschiedete Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zeige deutlich, dass dem Bund an starken Kommunen gelegen sei. Denn die allseits befürchtete "Rosinenpickerei" durch private Entsorger sei erfolgreich verhindert worden. Dennoch litten die Kommunen unter den Soziallasten. Er appellierte deshalb an die Bundesregierung, das bisherige Verfahren der Eingliederungshilfe von Behinderten zu überprüfen und die Kommunen diesbezüglich zu entlasten.

Auch in Hessens Kommunen, denen es zwar finanziell insgesamt relativ gut gehe, fehle das Geld, betonte anschließend Ministerpräsident Volker Bouffier. "Wir wollen ganz konkret Kommunen unterstützen und haben drei Milliarden Euro für einen kommunalen Rettungsschirm zur Verfügung gestellt“, so der Ministerpräsident. Das Geld werde jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern nach Bedürftigkeit.  Ziel des kommunalen Schutzschirms sei jedoch die Hilfe zur Selbsthilfe, deshalb müssten sich die entsprechenden Kommunen verpflichten, nicht umgehend wieder in eine Schuldensituation zurückzufallen. Nur starke Kommunen führten zu einem starken Deutschland. "Wir nehmen die Arbeit der KPV sehr ernst. Sie ist eine Brücke für die Partei zur kommunalen Welt", unterstrich Bouffier die Bedeutung der KPV.

Mitgefühl für die Opfer

Bevor auch die Bundeskanzlerin auf die Bedeutung der Kommunen und die Folgen ihrer Regierungspolitik zu sprechen kam, drückte sie ihre Anteilnahme gegenüber den Angehörigen des Opfers der rechtsradikalen Terrorgruppe in Kassel aus. "Wir sind beschämt und aufgerüttelt", so Angela Merkel. Die Politik werde nicht eher ruhen, bis die Morde aufgeklärt seien.

Von starken Kommunen zum starken Europa 

Wie Volker Bouffier freute sich auch die Kanzlerin, zu Gast bei der KPV zu sein: "Es ist spannend, bei der KPV zu sein, weil sie das Lebensgefühl vor Ort vermittelt", so Angela Merkel. Sie schloss sich ebenfalls der Meinung an, dass nur starke Kommunen ein starkes Deutschland ermöglichen könnten. Denn Kommunen bräuchten Spielräume, um ihre Vorstellungen von kommunaler Selbstverwaltung umzusetzen. Um diese Spielräume aufrechtzuerhalten, habe der Bund zum Beispiel die Kosten der Grundsicherung übernommen. Jetzt seien die Länder gefragt, die zusätzlich zur Verfügung gestellten Gelder des Bundes an die Kommunen weiterzugeben.

Energiewende als Chance

Die Kanzlerin forderte die Kommunen auf, den Weg zum Zeitalter erneuerbaren Energien als Chance zu begreifen. Der Bund unterstütze sie auch dabei. So habe er zum Beispiel die Programme zur Sanierung von Gebäuden aufgestockt. Die Energiewende berge zwar auch Risken, dennoch böte sie auch neue Möglichkeiten, intelligente Stromnetze und Energieeinspeisesysteme zu schaffen. Kommunen sollten den Weg freimachen für  effizientere und preiswertere Energie.

Demographie im Fokus

Neben dem Thema Finanzen sei jedoch das Thema der demographischen Entwicklung der nächsten 10/20 Jahre von immenser Bedeutung. Nicht nur städtebaulich kämen große Herausforderungen auf die Kommunen zu. Denn mit der Zunahme der Senioren gehe auch eine Zunahme der Pflegebedürftigen und Kranken einher, hier seien besonders die Demenzkranken erwähnt. Die Gesellschaft müsse sich stärker darauf einstellen. "Während in den 50er Jahren sechs Erwerbstätige einen Rentner finanzieren mussten, werden es 2020 nur noch zwei Erwerbstätige sein", mahnte die Kanzlerin. Drastisch sinkende Schülerzahlen würden deshalb auch neue Schulformen herausfordern. Darum habe sich die CDU auf ihrem Parteitag für das 2-Wege-Modell ausgesprochen, dass jedoch nicht verpflichtend sei. "Wie stehen für das differenzierte Schulsystem mit Gymnasium", betonte Frau Merkel. Sie forderte von den Ländern eine bessere Koordination im Rahmen der Bildungspolitik. "Umziehen darf kein Drama für Familien mit schulpflichtigen Kindern sein", so die Kanzlerin.

Starkes Deutschland nur mit starkem Europa möglich

Auch wenn Deutschland gestärkt aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen sei, muss es an seine europäischen Nachbarn denken. Denn Deutschland könne als Exportnation auf Dauer nur stark sein, wenn es der Europäischen Union auch gut gehe. "Es muss uns gelingen, in der Verschuldungskrise zu schaffen, was extrem schwer ist: dass auch Europa stärker aus der Krise kommt", mahnte die CDU-Politikerin. "Das Leben über die eigenen Verhältnisse ist in Zukunft nicht mehr möglich." Deutschland müsse in Zukunft noch stärker in Bildung und Forschung investieren, um seinen Wohlstand aufrechterhalten zu können. Und sie warnte davor, durch Protestaktionen gegen Großprojekte Deutschlands Ansehen in der Welt zu schaden: "Ein Land, das keine Hochspannungsleitungen mehr aufstellen, keine Bahnhöfe umbauen und keine Landebahn zusätzlich bauen kann, wird in der Welt als nicht fortschrittlich angesehen."

"Der Euro ist mehr als nur eine Währung … "

Großes Engagement zeigte die Kanzlerin für den Euro und Europa. "Der Euro ist mehr als nur eine Währung, er ist ein politisches Projekt", hob Angela Merkel hervor. Seine Struktur sei jedoch nicht krisenfest und dafür bekämen wir jetzt die Quittung. Als Konsequenz müsse die EU deshalb bei Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ein Durchgriffsrecht auf nationale Budgets erhalten, so die Kanzlerin. Es dürfe keine Toleranz gegenüber Vertragsverletzungen mehr gewährt werden. Jeder Nationalstaat müsse nun seine Hausaufgaben machen. Besonders wichtig sei auch, das Vertrauen in den Euro zurückzugewinnen. Die CDU-Politikerin sprach sich strikt gegen den Vorschlag aus, die EZB mehr Geld drucken zu lassen, um das Problem zu lösen. Die Krisenbewältigung brauche Zeit, so die Kanzlerin. Dennoch sei sie zuversichtlich, dass die KPV die Bundesregierung in ihren Bemühungen unterstütze. „Die Union ist fest entschlossen, Erfolg gemeinsam mit den Kommunen aufzubauen“, sagte die Kanzlerin und endete mit den Worten, dass sie ein offenes Ohr für die Probleme in Stadt und Land habe. ©SB

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