{"id":10072,"date":"2018-10-29T13:16:00","date_gmt":"2018-10-29T11:16:00","guid":{"rendered":"https:\/\/kpv.de\/?p=10072"},"modified":"2018-10-29T13:16:00","modified_gmt":"2018-10-29T11:16:00","slug":"ein-dienst-fuer-land-und-menschen-2","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/kpv.de\/blog\/ein-dienst-fuer-land-und-menschen-2\/","title":{"rendered":"Ein Dienst f\u00fcr Land und Menschen"},"content":{"rendered":"

Seitdem die Wehrpflicht offiziell ausgesetzt ist, hat sich die Erde aber trotzdem weitergedreht und wir stehen ge\u00e4nderten Rahmenbedingungen sowohl in Sachen Sicherheitslage als auch Umwelteinfl\u00fcssen gegen\u00fcber. Wir m\u00fcssen erkennen, dass Terrorismus eine latente Bedrohung auch im Inneren darstellt. Wenn es um Bedrohung von au\u00dfen geht, haben wir uns auch unseren B\u00fcndnispartnern verpflichtet. Diese haben zu Recht Erwartungen an unsere Bundeswehr. Jedoch ist die vorgesehene automatische Wiederbelebung der Wehrpflicht im Verteidigungsfall nur dann realisierbar, wenn die Ausbildungskapazit\u00e4ten, sprich Personal, Material und Kasernen, massiv ausgeweitet werden und eine fl\u00e4chendeckende Struktur zur Wehr- und Zivildiensterfassung vorhanden ist. Im Mittelpunkt steht aber zu n\u00e4chst der aktuelle Sicherheitsauftrag der Bundeswehr.<\/p>\n

Weniger Kompetenz bei mehr Gefahr
\n<\/strong>Aber es geht \u00fcber das Milit\u00e4rische hinaus, warum wir uns Gedanken \u00fcber einen Dienst f\u00fcr unser Land machen sollten: Unsere haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkr\u00e4fte sind in Not- und Gefahrensituationen sowie Extremwetterlagen gefordert. Diese mehren sich, trotzdem sind immer weniger Menschen im Bereich Zivil- und Katastrophenschutz ausgebildet und nehmen an Kursen zum Erlernen \u201eErster Hilfe\u201c teil. Es steht fest: Rettungskr\u00e4fte, Feuerwehr und THW brauchen langfristig gut ausgebildete und motivierte Helfer.<\/p>\n

Deshalb wollen wir im Dialog mit m\u00f6glichst vielen gesellschaftlichen Gruppen pr\u00fcfen, ob im Rahmen einer \u201eAllgemeinen Dienstpflicht\u201c ein verbindlicher Grunddienst f\u00fcr junge Erwachsene mit dem Schwerpunkt Zivil- und Katastrophenschutz aufgebaut werden kann. Daran schlie\u00dft sich eine Zeit im gesellschaftlichen Bereich an. Obwohl wir selbstverst\u00e4ndlich den sozialen Bereich mit einbeziehen, wollen wir aber betonen, dass ein Dienst hier keinesfalls als Ersatz f\u00fcr die dringend notwendigen Pflegekr\u00e4fte anzusehen ist.<\/p>\n

Verbindliches Band zwischen Gesellschaft dem Einzelnen
\n<\/strong>Es geht uns um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und die Erfahrung jedes Einzelnen f\u00fcr die Gemeinschaft gleicherma\u00dfen gebraucht und wertvoll zu sein. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht und dem Wegfall des Zivildienstes fehlt ein verbindliches Band zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen. Jeder sollte unseres Erachtens die Erfahrung machen, dass nicht nur B\u00fcrgerrechte, sondern auch B\u00fcrgerpflichten bestehen, ohne die unserer Gesellschaft auseinanderdriftet. Jeder m\u00f6ge sich fragen, was er der Gemeinschaft geben kann oder wie er in der Lage w\u00e4re, anderen zu helfen und sie zu sch\u00fctzen.
\nWir sind der Auffassung, dass Vers\u00e4umnisse in Erziehung und Bildung junger Menschen nicht durch eine Zeit des Dienstes an der Gemeinschaft kompensiert werden k\u00f6nnen. Es bedarf gr\u00f6\u00dferer Achtung und eines Heranf\u00fchrens an der \u00dcbernahme von Aufgaben f\u00fcr die Gemeinschaft. Und es bedarf einer besseren Kultur der Anerkennung und der positiven Verst\u00e4rkung. Unabh\u00e4ngig davon, ob ein Allgemeiner Dienst verpflichtend oder auf Freiwilligkeit beruht, m\u00fcssten attraktive Angebote geschaffen werden, die f\u00fcr die pers\u00f6nliche Entwicklung und die Gemeinschaft von gro\u00dfem Nutzen sind.<\/p>\n

Breit angelegte Debatte<\/strong>
\nWir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Verantwortungsbereitschaft st\u00e4rken. Wir wollen, dass die Menschen auf die Bew\u00e4ltigung von Natur- und Notsituationen bis hin zu Bedrohungen des Friedens besser vorbereitet sind. Wir wollen mit den zust\u00e4ndigen Verb\u00e4nden und betroffenen Organisationen die Frage er\u00f6rtern, ob eine allgemeine Dienstpflicht unter Umst\u00e4nden auch nur begrenzt auf den Zivil- und Katastrophenschutz oder eine allgemeine Wehrpflicht geeignete Instrumente sind.Ein Engagement und die positiven Erfahrungen im Dienst an der Gemeinschaft k\u00f6nnen die \u00f6rtliche Bindung und den Zusammenhalt vor Ort in der Gemeinde, im Stadtteil oder der Region deutlich st\u00e4rken. Ein Dienst an der Gemeinschaft kann bei der Pers\u00f6nlichkeitsentwicklung und der Berufsorientierung helfen und kann neue Perspektiven und eine positive Lebensstruktur insbesondere f\u00fcr arbeitsmarktferne junge Erwachsene schaffen.<\/p>\n

Grundgesetz\u00e4nderung & Co.<\/strong>
\nWollten wir eine \u201eAllgemeine Dienstpflicht\u201c in Deutschland einf\u00fchren, w\u00fcrde es eines neuen gesamtgesellschaftlichen Konsenses und der \u00c4nderung des Grundgesetzes bed\u00fcrfen. Eine \u201eAllgemeine Dienstpflicht\u201c m\u00fcsste grunds\u00e4tzlich alle M\u00e4nner und Frauen einer Altersgruppe gleicherma\u00dfen zeitlich begrenzt erfassen. Zurzeit w\u00e4ren das circa 700 000 Personen eines Jahrgangs.
\nEiner Dienstpflicht m\u00fcsste ein entsprechendes Angebot von Dienststellen entgegenstehen, die gr\u00f6\u00dftenteils nah am jeweiligen Wohnort angesiedelt sein m\u00fcssten. Denn das sind alles Faktoren, die die finanzielle Planung in Sachen Unterbringung, Verpflegung, Reisekosten und Sold beeinflussen.<\/p>\n

Passgenaue Angebote und Anreize
\n<\/strong>Eine Grunddienstleistung zum Einstieg er\u00f6ffnet die M\u00f6glichkeit den jungen Menschen passgenaue Angebote zu unterbreiten. Wir wollen alle Dienste attraktiv gestalten: Dies k\u00f6nnte gelingen durch eine bessere auch finanzielle Anerkennung, die Entwicklung von Bonussystemen f\u00fcr Fortbildung, Studium und Arbeit, durch Wartezeitverk\u00fcrzung beim Studium, h\u00f6here BAF\u00f6G-Leistungen oder zus\u00e4tzliche freie Tage bei berufsbegleitenden Angeboten. Die Dienste k\u00f6nnten um intensivere Berufsorientierungsangebote erweitert und zu einer besseren Anerkennung in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung f\u00fchren.<\/p>\n

Unser Vorschlag<\/strong>
\nIm Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht, bezogen auf Zivil- und Katastrophenschutz, k\u00f6nnten junge Erwachsene wohnortnah eine 3-monatige Grundausbildung in Ma\u00dfnahmen des Zivil- und Katastrophenschutzes, des Eigenschutzes, der Lebensrettung beziehungsweise der Ersten Hilfe, \u00fcber Rechte- und Pflichten des B\u00fcrgers im Verteidigungs- und Katastrophenfall absolvieren.<\/p>\n

Daran k\u00f6nnten sich entweder eine selbst\u00e4ndige weitere Verpflichtung bei Feuerwehr, THW, Zivilschutz, Rettungswesen, Bundeswehr und wiederkehrende \u00dcbungen des Katastrophenschutzes in einem Zeitraum von 10 Jahren im Umfang von mindestens 12 Monaten anschlie\u00dfen. So k\u00f6nnen junge Menschen auch neben einer Ausbildung oder einem Studium beziehungsweise einer beruflichen T\u00e4tigkeit ihrer Verpflichtung nachkommen.<\/p>\n

ODER<\/p>\n

Junge Erwachsene nehmen im Anschluss eine T\u00e4tigkeit im Rahmen eines gest\u00e4rkten Bundesfreiwilligendienstes oder eines weiteren gesetzlichen Freiwilligendienstes im Umfang von mindestens 12 Monaten auf. Junge Menschen k\u00f6nnen sich selbst aus einem zertifizierten Angebot eine Aufgabe ausw\u00e4hlen, ob aus dem sozialen, kulturellen oder \u00f6kologischen Bereich oder in der Entwicklungszusammenarbeit.<\/p>\n

Ausblick<\/strong>
\nDie KPV wird auf ihrer Bundesvertreterversammlung in Koblenz im November dazu einen entsprechenden Antrag erarbeiten und in die innerparteiliche Debatte von CDU und CSU einbringen. Ein erster Entwurf wurde bereits im September vom Bundesvorstand und Hauptausschuss diskutiert. Bei der Sitzung waren auch Frau Kramp-Karrenbauer und der Bundesgesundheitsminister anwesend. Die Generalsekret\u00e4rin betonte, dass es wichtig sei ergebnisoffen und lebendig zu diskutieren. Jens Spahn hat kurz darauf auch in diesem Feld die Initiative ergriffen und 18 Sozialverb\u00e4nde zu einem Meinungsaustausch eingeladen. Das zeigt uns, dass wir mit unseren Vorschl\u00e4gen sprichw\u00f6rtlich \u201eins Schwarze\u201c getroffen haben.<\/p>\n

Hintergrund<\/strong>
\n Bundesfreiwilligendienst<\/strong>
\nDer BFD steht bisher allen Generationen offen und umfasste im Juni 2018 rund 40 000 Personen. Rund ein Drittel der Freiwilligen beendet vorzeitig den Dienst. Oftmals da Studienvorhaben dann doch fr\u00fcher realisiert werden k\u00f6nnen oder ein besser bezahlter (Aushilfs-) Job das Rennen gegen den Freiwilligendienst macht. Die Freiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges \u00d6kologische Jahr (F\u00d6J) richten sich an die 15-27-J\u00e4hrigen. In einem Bericht (2011) der Bundeszentrale f\u00fcr Politische Bildung mit dem Titel \u201eFreiwilligendienste und ihre Wirkung \u2013 vom Nutzen des Engagements\u201c hei\u00dft es: \u201eIm Vergleich zur Wohnbev\u00f6lkerung in Deutschland haben Freiwillige \u00fcberproportional oft das Abitur oder eine andere Hochschulzugangsberechtigung erworben, stammen \u00fcberproportional oft aus h\u00f6heren sozialen Schichten mit gutem materiellen Lebensstandard, haben h\u00e4ufiger die deutsche Staatsangeh\u00f6rigkeit, kommen (im Fall \u201eWeltw\u00e4rts\u201c, A.d.R.: ein Programm zur Unterst\u00fctzung der Entwicklungszusammenarbeit) h\u00e4ufiger aus den westdeutschen Bundesl\u00e4ndern und sind h\u00e4ufiger weiblich. Das hei\u00dft im Umkehrschluss: Ehemalige Haupt- und Realsch\u00fcler, Jugendliche aus niedrigeren sozialen Milieus, Jugendliche mit Migrationshintergrund, Ostdeutsche und M\u00e4nner sind unterrepr\u00e4sentiert. Letzteres l\u00e4sst sich noch teilweise erkl\u00e4ren mit der Wehrpflicht, die zum Zeitpunkt aller zitierten Erhebungen noch in Kraft war und vielen M\u00e4nnern den Zivil- oder Wehrdienst als Pflichtdienst bescherte.\u201c Wir sollten uns diese Ergebnisse zu Nutze machen und darauf achten, m\u00f6glichst alle Menschen mit einzubeziehen damit die Gesellschaft unseres Landes angemessen repr\u00e4sentiert wird.<\/p>\n

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Foto: Jan Kopetzky<\/p><\/div>\n

Autor: Christian Haase MdB ist der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands und der AG Kommunalpolitik der CDU\/CSU-Bundestagsfraktion<\/p>\n

Der Beitrag erscheint in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen bl\u00e4tter (KOPO)<\/p>\n

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