Der Bund soll zudem finanzschwachen Kommunen finanziell unter die Arme greifen d\u00fcrfen, um Schulen und andere Bildungsinfrastrukturen zu sanieren. Der Fonds dazu ist schon mit weiteren 3,5 Mrd. Euro verdoppelt worden. Der KPV-Bundesvorsitzende Ingbert Liebing hatte dies als \u201evergiftetes Geschenk\u201c bezeichnet. \u201eAuf der einen Seite ist das finanzielle Engagement des Bundes f\u00fcr viele Kommunen eine gro\u00dfe Hilfe. Aber solch eine Ausweitung der Mitfinanzierungskompetenz des Bundes ist nicht unkritisch: Mischzust\u00e4ndigkeiten und Mischfinanzierungen f\u00fchren zu keiner Kl\u00e4rung von Verantwortung, wirken oft als \u201agoldener Z\u00fcgel\u2018 und schr\u00e4nken die grundgesetzlich garantierte Kommunale Selbstverwaltung eher ein. Wenn der Bund die Investitionsm\u00f6glichkeiten der Kommunen verbessern will, kann er dies auch ohne Grundgesetz\u00e4nderung \u00fcber einen h\u00f6heren Umsatzsteueranteil der Kommunen machen.\u201c, so Liebing.<\/p>\n
Bundeshilfen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur seien der falsche Weg, weil sich die L\u00e4nder auf diese Weise ein St\u00fcck weit ihrer Verpflichtung gegen\u00fcber den Kommunen entziehen. Es ist am Grundsatz festzuhalten, dass f\u00fcr eine aufgabenangemessene ausk\u00f6mmliche Finanzausstattung der Kommunen die jeweiligen Bundesl\u00e4nder verantwortlich und zust\u00e4ndig sind \u2013 auch im Bereich der Bildungsinfrastruktur.
\nEs d\u00fcrfe nicht der dauerhafte Fehlanreiz gesetzt werden, dass L\u00e4nder k\u00fcnftig Kommunen bei Investitionsbedarf an den Bund verweisen. Es bestehe die Gefahr, dass bei der Definition \u201afinanzschwacher\u2018 Kommunen falsche Anreize gesetzt werden. Die Einbeziehung von Kassenkrediten w\u00e4re dabei nicht zielf\u00fchrend. F\u00fcr eine strukturelle Finanzschw\u00e4che m\u00fcssen die kommunalen Einnahmen, insbesondere das Einkommensteuer- und das Umsatzsteueraufkommen sowie die Ausgaben betrachtet werden. Dabei sind nach Auffassung der KPV die Sozialaufwendungen einer Kommune in ihrer Struktur von besonderer Bedeutung.<\/p>\n
Der Deutsche St\u00e4dtetag spricht sich f\u00fcr eine solche Hilfe f\u00fcr finanzschwache Kommunen aus. Gerade Kommunen in NRW und Rheinland-Pfalz sind \u00fcber Jahre und Jahrzehnte in die Schuldenfalle getrieben worden, diese L\u00e4nder haben kaum Erfolge im Strukturwandel erzielt und klebrige Finger bei den Bundesmitteln f\u00fcr Kommunen. <\/p>\n
Andere Bundesl\u00e4nder mit Bayern an der Spitze statten ihre Kommunen finanziell ordentlich aus, verhindern Kassenkredite und geben Mittel des Bundes eins zu eins an die Kommunen weiter. Die kommunalen Amt- und Mandatstr\u00e4ger, die sich seit langem um ausgeglichene Haushalte k\u00fcmmern und es nicht gescheut haben, so manche auch unpopul\u00e4re Ma\u00dfnahmen in der B\u00fcrgerschaft durchzusetzen, erhalten nun ein falsches Signal: Wer heute nicht finanzschwach ist, erh\u00e4lt nichts vom Bund. Wer aus eigener Kraft den Strukturwandel angepackt und bew\u00e4ltigt hat, geht leer aus. Ein fatales Signal an tausende engagierte kommunale Amts- und Mandatstr\u00e4ger. <\/p>\n
Und es ist ein fatales Signal gerade an die SPD-Landesregierungen, die ihre Kommunen systematisch ausbluten lassen. Sp\u00e4testens wenn die Schuldenbremse in den L\u00e4ndern greift, wird dies auf dem R\u00fccken der Kommunen ausgetragen und mehr finanzschwache Kommunen werden Hilfe beim Bund suchen und finden m\u00fcssen. Die echte Not finanzschwacher Kommunen und kommunale Solidarit\u00e4t t\u00e4uschen \u00fcber diese schwerwiegenden Folgen hinweg. Wer kann schon nein sagen zu zus\u00e4tzlichen 3,5 Mrd. Euro f\u00fcr den Kommunalen Bereich; sch\u00f6n, wenn die kommunalen Bildungsinfrastrukturen, also in erster Linie Schulen, instand gesetzt werden. Aber warum sollen Schultoiletten in Oberhausen vom Bund erneuert werden und in D\u00fcsseldorf nicht? Wie will der Bund in Zukunft erkl\u00e4ren, dass er nicht f\u00fcr die Schulausstattung zust\u00e4ndig ist? <\/p>\n
Mit der geplanten \u00c4nderung des Grundgesetzes Art 104 c jedenfalls \u00f6ffnet der Bund eine \u201eB\u00fcchse der Pandora\u201c. In der Bundestagsdebatte mahnte der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Sch\u00e4uble MdB in Richtung der Bundesl\u00e4nder, die im Bundesrat bereits umfangreiche \u00c4nderungen gefordert hatten, bei den beschlossenen Vereinbarungen zu bleiben und die Pakete nicht wieder aufzuschn\u00fcren. Sch\u00e4uble betonte, dass es nicht gelungen sei, den Finanzausgleich grundlegend transparenter und berechenbar aufzustellen. Im Bund-L\u00e4nder-Verh\u00e4ltnis sei man in einer \u201egrunds\u00e4tzlich richtigen Ordnung nicht gut aufgestellt\u201c, sagte der Minister. Daran m\u00fcsse in Zukunft gearbeitet werden. <\/p>\n
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU\/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus MdB stellte in der Debatte klar, dass die Ministerpr\u00e4sidentenkonferenz kein Verfassungsorgan sei, Gesetze immer noch im Bundestag gemacht w\u00fcrden, v\u00f6llig egal, ob sich die L\u00e4nder 16 zu null oder 15 zu eins einigten. Der Christdemokrat kritisierte ebenfalls die \u201eEntsolidarisierung der L\u00e4nder\u201c. Das m\u00f6ge zwar die Bayern freuen, aber Berlin werde damit zum Kostg\u00e4nger des Bundes. Die Entlastung der L\u00e4nder in H\u00f6he von zehn Milliarden Euro ab 2020 \u201etut uns weh\u201c, sagte Brinkhaus mit Blick auf den Bundeshaushalt.
\nSollten weitere Bundesgelder an L\u00e4nder und Kommunen flie\u00dfen, schr\u00e4nke der Bund seine Spielr\u00e4ume ein. Grunds\u00e4tzlich seien ohnehin die L\u00e4nder f\u00fcr die Finanzausstattung ihrer Kommunen zust\u00e4ndig, betonte der Christdemokrat. Anders als Gr\u00fcne, SPD und Linke brach Brinkhaus eine Lanze f\u00fcr das Kooperationsverbot. Dies sei grunds\u00e4tzlich richtig. Mischfinanzierungen seien \u201eGift f\u00fcr den F\u00f6deralismus und Gift f\u00fcr die Demokratie\u201c. Sie unterliefen das Prinzip klarer Verantwortungszuweisung.<\/p>\n
Die Federf\u00fchrung f\u00fcr die Gesetzentw\u00fcrfe liegt beim Haushaltsausschuss. Dieser hat 6 Anh\u00f6rungen durchgef\u00fchrt. Die geplanten Regelungen zu Bundesfinanzhilfen f\u00fcr finanzschwache Kommunen, um Bildungsinfrastrukturen zu sanieren, sind bei Sachverst\u00e4ndigen in einer Anh\u00f6rung im Haushaltsausschuss auf ein geteiltes Echo gesto\u00dfen. Unter anderem der Bundesrechnungshof sieht die geplante Neuregelung kritisch. Das Vorhaben stelle einen „weitreichenden Schritt“ dar, „der von der klaren verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im f\u00f6deralen System wegf\u00fchrt“. Es fehle in den Entw\u00fcrfen an „ausreichenden Steuerungs- und Kontrollm\u00f6glichkeiten, die es dem Bund erm\u00f6glichen w\u00fcrden, einen sachgerechten und wirtschaftlichen Mitteleinsatz sicherzustellen“, schreibt der Rechnungshof in seiner Stellungnahme.<\/p>\n
Prof. Dr. Christian Waldhoff vom Lehrstuhl f\u00fcr \u00d6ffentliches Recht und Finanzrecht der Humboldt-Universit\u00e4t zu Berlin stellte sich gegen die Einf\u00fchrung des geplanten Artikel 104c des Grundgesetzes. Dieser sei aus „verfassungssystematischen und demokratietheoretischen Gr\u00fcnden abzulehnen“, schrieb der Rechtswissenschaftler in seiner Stellungnahme. Sollte das Vorhaben trotzdem umgesetzt werden, m\u00fcsse dann zum einen der Bund festlegen, was finanzschwache Kommunen sind. Zum anderen m\u00fcssten die bisher geplanten Kriterien zur Verteilung der Mittel \u00fcberarbeitet werden. Aktuell ist vorgesehen, die Mittel zu je einem Drittel nach Einwohnerzahl, H\u00f6he der Arbeitslosigkeit und H\u00f6he der Kassenkredite an die L\u00e4nder zu vergeben.<\/p>\n
In eine \u00e4hnliche Richtung argumentierte Prof. Dr. Thiess B\u00fcttner vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universit\u00e4t Erlangen-N\u00fcrnberg. Die Mittelverteilung teils an der H\u00f6he der Kassenkredite festzumachen, sei problematisch, denn es handle sich um einen „Finanzausgleich nach dem R\u00fcckspiegel“. Das Geld flie\u00dfe dann dahin, „wo in der Vergangenheit mehr ausgegeben wurde. Das m\u00fcssen aber keineswegs Gemeinden sein, die einen ungedeckten Investitionsbedarf haben“, schreibt B\u00fcttner in seiner Stellungnahme. Zudem w\u00fcrden jene L\u00e4nder „bestraft“, die ihren Kommunen nicht gestattet haben, Kassenkredite in Anspruch zu nehmen.<\/p>\n
Prof. Dr. Hans-G\u00fcnter Henneke vom Deutschen Landkreistag sprach sich ebenfalls gegen die Einf\u00fchrung des Artikel 104c des Grundgesetzes aus. Damit w\u00fcrden „bew\u00e4hrte Verantwortungsstrukturen“ zerst\u00f6rt. Die L\u00e4nder, die schon bisher ihre Kommunen nicht angemessen ausgestattet haben, w\u00fcrden in Zukunft umso lauter auf eine Investitionshilfebefugnis des Bundes nach Einf\u00fcgung eines Artikels 104c des Grundgesetzes verweisen. V\u00f6llig offen bleibe dabei, ob der Bund dann tats\u00e4chlich in neue Finanzhilfeleistungen eintritt, hei\u00dft es in Hennekes schriftlicher Stellungnahme. Wenn der Bund die Kommunen unterst\u00fctzen wolle, dann w\u00e4re es sinnvoller, Mittel \u00fcber eine Erh\u00f6hung der sogenannten Entflechtungsmittel zur Verf\u00fcgung zu stellen. Dies sei auch schon beim sozialen Wohnungsbau praktiziert worden.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Die Regierungschefs von Bund und L\u00e4ndern hatten sich im vergangenen Jahr auf eine Neuordnung der Bund-L\u00e4nder Finanzbeziehungen verst\u00e4ndigt. Der Bundestag hat sich in erster Lesung damit befasst und bislang sechs Anh\u00f6rungen im Haushaltsausschuss durchgef\u00fchrt. Mehr Geld f\u00fcr die L\u00e4nder, mehr Kompetenzen f\u00fcr den Bund: Die Bundesl\u00e4nder sollen ab 2020 j\u00e4hrlich mit rund 9,7 Milliarden Euro entlastet werden. Im Gegenzug w\u00fcrde der Bund mehr Kontroll-, Steuerungs- und Pr\u00fcfrechte, besseren Zugriff auf die Steuerverwaltung und die M\u00f6glichkeit erhalten, in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen zu investieren. Der Hauptgesch\u00e4ftsf\u00fchrer der KPV, Tim-Rainer Bornholt, \u00fcber „vergiftete Geschenke“ und deren weitreichende Konsequenzen.<\/p>\n","protected":false},"author":4,"featured_media":8870,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[14,6],"tags":[649,266,650,93,696,685],"yoast_head":"\n