Interview

Wir können nicht jedes Problem mit Geld zuschütten

Energiekrise, klamme Kassen und Investitionsstaus machen den Kommunen zu schaffen. Wir haben mit Christian Haase, Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands sowie haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die aktuellen Herausforderungen gesprochen.

KOPO: Die Energiekosten für Unternehmen und Verbraucher steigen. Mit der Gasumlage steht nun ein weiterer Kostentreiber fest. Verbraucherschützer fordern gezielte Hilfe bei den Heizkosten auch für Gering- und Normalverdiener, die Industrie- und Handelskammer will die Unternehmen von der Energiesteuer beim Gas befreien und die CDU möchte die für September geplante Energiepreispauschale auch Rentnern und Studenten zuteilwerden lassen. Bleiben da noch Anreize zum Energiesparen?

Foto: © Jan Kopetzky

Christian Haase: Die Senkung der Mehrwertsteuer ist notwendig, um den extremen Preisanstieg beim Gas zu dämpfen. Die Börsenpreise für Gas haben sich seit Anfang 2021 nahezu verachtfacht. Diese Kostensteigerungen hatte niemand auf dem Zettel. Hier muss Politik gegensteuern, um den sozialen Frieden zu wahren. Heißt im Klartext: Wir müssen sicherstellen, dass Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben, dass Arbeitsplätze nicht massenhaft verloren gehen und das sozial Schwächere nicht in eine Notlage geraten. Dass wir in Zukunft für Energie tiefer ins Portemonnaie greifen, ist eine Tatsache und unserer Solidarität mit der Ukraine geschuldet. Ich finde das in Ordnung. Wir können nicht jedes Problem mit Geld zuschütten. Vielmehr brauchen wir jetzt Innovationsgeist und Pragmatismus.

Wir müssen die Energiewende voranbringen, wir können die drei verbliebenen Kernkraftwerke in den Streckbetrieb schicken, wir können Holz verfeuern, wir können verstärkt auf Biogas setzen. Die mit heißer Nadel gestrickte Gasumlage sehe ich kritisch. RWE und Shell wollen davon keinen Gebrauch machen, ihre Kunden werden die Gasumlage also nicht bezahlen. Soviel zur beschworenen Solidarität aller Gaskunden. Auch beim Strom hat der Gesetzgeber noch Spielraum: Warum gilt hier immer noch ein Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent? Wenig hilfreich sind auch Entlastungen mit der Gießkanne wie die Energiepauschale, die alle Bürgerinnen unabhängig von ihrem Einkommen erhalten.

KOPO: Gas ist knapp, die Bundesnetzagentur geht in ihren Szenarien davon aus, dass sich eine Gasmangellage nur dann vermeiden lässt, wenn es gelingt, 20 Prozent Gas einzusparen. Was können Kommunen tun, um dieses Ziel zu unterstützen?


Christian Haase: Die Verantwortlichen vor Ort haben bereits Maßnahmen umgesetzt. Kommunen sind ja keine Energieverschwender, sondern seit Jahren beim Energiesparen spitze. Gleichwohl gibt es hier und da noch Potenziale. Der Deutsche Städtetag sammelt Best-Practice Beispiele, hier können sich alle Inspirationen holen. So haben viele Städte wie Berlin oder Hannover angekündigt, den Energieverbrauch in städtischen Gebäuden zu drosseln: Durch niedrigere Raumtemperaturen, Umstellung der Beleuchtung auf energiesparende LEDs oder keine Dauerbeleuchtung auf Fluren. Die Stadt Würzburg überlegt, Dienststellen zusammenzulegen. In Essen gibt es eine Projektgruppe, um Energiespar-Potenziale zu identifizieren. Aber nicht alles ist sinnvoll: Ich bin kein Freund, sich die Hände nur noch mit kaltem Wasser zu waschen – damit erweisen wir uns in der Erkältungszeit einen Bärendienst.

KOPO: Das 9-Euro-Ticket läuft planmäßig Ende August aus. Sie haben das Ticket von Beginn an als nicht sinnvoll kritisiert. Nun hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ein bundesweit gültiges sogenanntes Klimaticket für 69 Euro in die Debatte um eine Nachfolgeregelung eingebracht. Was halten Sie davon?


Christian Haase: Klar ist doch, wir brauchen einen gut ausgebauten und bezahlbaren ÖPNV, andernfalls können wir die Klimaziele nicht erreichen. Ich habe Sorge, dass ein solches Ticket bestimmte Verkehrsverbünde bevorteilt und andere hinten runterfallen. Statt eines flächendeckenden Angebots in ganz Deutschland stärken wir das ohnehin schon sehr gute Angebot in den Metropolen, ländliche Gegenden haben das Nachsehen. Und wie wird geregelt, dass das Geld überhaupt bei den Betreibern ankommt und nicht beim Anbieter einer Plattform hängen bleibt? Außerdem hat sich gezeigt, dass das 9-Euro-Ticket zusätzlichen Verkehr produziert hat. Viele Menschen haben Fahrten zu touristischen Highlights unternommen, die sie andernfalls nicht getätigt hätten. Jedoch wurden kaum Autofahrer motiviert, auf Bus und Bahn umzusteigen. Wir müssen beim Angebot ansetzen. Wir brauchen mehr Demand-Dienste in den Randstunden und in ländlichen Gegenden – und ich könnte mir auch vorstellen, dass ein einfaches Tarifsystem ein wirksamer Hebel sein kann.

KOPO: Im August haben die kommunalen Spitzenverbände mit ihrer Prognose zur Entwicklung der kommunalen Haushalte Alarm geschlagen. Sie prognostizieren ein Minus von 5,8 Milliarden Euro für 2022.

Christian Haase: Alarmierender als die eigentliche Zahl, die wie alle Schätzungen mit allerlei Unwägbarkeiten behaftet ist, finde ich die damit einhergehende Verunsicherung und daraus resultierender Attentismus. Schon jetzt stellen Kommunen dringend notwendige Investitionen zurück aus Sorge vor rückläufigen Einnahmen. Gleichzeitig kommen mit der Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge, einer weiteren Corona-Welle im Herbst und einer eventuellen Gasmangellage enorme Herausforderungen und Mehrkosten auf die Kommunen zu. Zeichnet sich eine finanzielle Schieflage der Kommunen ab, müssen die Länder schnell, unbürokratisch gegensteuern und finanziell zusätzlich entlasten. Der Bund muss seinen Strauß von Förderprogrammen auf die aktuellen Herausforderungen konzentrieren.

KOPO: Wir stehen kurz vor dem 35. Parteitag der CDU in Hannover. Was fordert die KPV?


Christian Haase: Wir haben einen Änderungsantrag zur Grundwertecharta eingebracht. Wir möchten das kommunale Profil der CDU schärfen. Wir sind überzeugt, dass die CDU über die Rathäuser auch wieder Bundestagswahlen gewinnt. Um glaubwürdig als Kommunalpartei auftreten zu können, müssen wir uns nach meiner Überzeugung in der Präambel zum Subsidiaritätsprinzip bekennen. Überbordende Bürokratie, Förderdschungel und Finanzkorsett haben uns zuletzt schwer zu schaffen gemacht.

Dieses Interview ist Bestandteil der September-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO). Sie besitzen noch kein Abo der KOPO? Das können Sie hier gleich ändern.

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