Über die Rathäuser zu neuer Kraft
Das historisch schlechte Wahlergebnis verlangt eine Zäsur: Wir müssen jetzt die Fehler der Vergangenheit konsequent aufarbeiten. Dies darf nicht in monatelange Selbstzerfleischung ausarten. Wir müssen den Blick nach vorne richten und uns neu aufstellen. Das gelingt nur im Schulterschluss mit unseren kommunalen Amts- und Mandatsträgern.
Der Anfang ist gemacht: Armin Laschet moderiert den Übergang und nutzt geschickt seine Fähigkeiten, unterschiedliche Strömungen und Lager unserer Partei zusammenzuführen. Jedem muss klar sein: Mit Egoismen, Intrigen und Illoyalität verlieren wir weiter. Damit verordne ich niemandem einen Maulkorb: Kritische Diskussionen sind notwendig und wir Kommunale scheuen uns nicht, den Finger in die Wunde zu legen. Armin Laschet stand uns stets Rede und Antwort. Er ist niemand, der sich weg duckt, wenn es schwierig wird. So ließ er es sich nicht nehmen, trotz herber Wahlniederlage beim Deutschlandtag der Jungen Union aufzutreten.
Trauriger Fakt bleibt, dass unsere Partei seit dem Rückzug von Angela Merkel als Parteivorsitzende nicht mehr zur Ruhe gefunden hat. Die Fehler im Wahlkampf müssen so aufgearbeitet werden, dass daraus für die Zukunft eine Handlungsperspektive entsteht. Ob uns externe Experten wirklich helfen, sei dahingestellt. Hören wir doch einfach auf die Erfahrungen der Kommunalen. Sie halten für die Union jeden Tag den Kopf hin und das auch noch mit der ganzen eigenen Familie.
Volkspartei braucht Mitglieder
Wenn sich schon unsere eigenen Mitglieder teilweise fragen, ob sie noch erwünscht sind, dann müssen doch sämtliche Alarmglocken bei uns ausschlagen. Wir können doch z.B. nicht passiv zusehen, wenn die wenigen jungen Menschen, die sich für Kommunalpolitik begeistern, keinen Zugang zu uns finden und lieber im Zweifel ohne Parteibuch für ein kommunales Mandat kandidieren. Die kommunale Ebene der CDU muss erster Ansprechpartner für alle bürgerlich-orientierten Interessierten egal welchen Alters sein. Wenn wir das Ohr an den Herausforderungen der Menschen in unserem Land haben, schafft das auch die notwendige Vertrauensbasis für die Partei auf Landes- oder Bundesebene.
Markenkern schärfen
Unsere Mitglieder fordern ein klareres Profil auf der Basis unserer Werte und Grundsätze. Welche Gesellschaft von morgen wollen wir? Deshalb gehört zu einem Neustart die Frage, welches für unsere Mitglieder die TOP-Themen für einen solchen Neustart sind. Ich wünsche mir z.B. eine breite parteiinterne Diskussion wie die Umsetzung der Klimaschutzziele, die Verkehrswende, der Ausbau erneuerbarer Energien oder die Zukunft der Landwirtschaft konkret aussehen sollen. Das geht nur, wenn wir mit denen diskutieren, die in unseren Städten und in ländlichen Räumen leben. Gleiches gilt für die Zukunft der Sozialsysteme, den Fachkräftemangel oder die Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert.
Dazu sollten wir feste Strukturen einführen. Unsere Mitglieder möchten gehört und geachtet werden und dadurch Einfluss nehmen. Bestes Beispiel: Wenn wir Regionalkonferenzen veranstalten, dann mit echten inhaltlichen Diskussionen, die zu Beschlussanträgen führen. So können wir Talente vor Ort mit Themen in Verbindung bringen. Wenn wir das Ohr an der Basis haben wollen, geht das nicht ohne Mitgliederversammlungen. Diese lassen sich digital organisieren – die Corona-Pandemie hat gezeigt, was möglich ist. Und wir müssen uns auch als Partei insgesamt weiterentwickeln: Wir brauchen einen christdemokratischen Think-Tank, der die Kernfragen der politischen Methodik und inhaltlichen Systematik künftig besser aufarbeitet.
Doppelspitze als Symbol für Modernisierung
Wie meine Kolleginnen Silvia Breher oder Yvonne Magwas kann ich mir eine Doppelspitze – gerne paritätisch besetzt – gut vorstellen. Denkbar wäre dafür ein Konstrukt aus Vorsitz und Generalsekretär oder Vorsitz und erstem Stellvertreter. Das ließe sich schnell und unkompliziert ohne Satzungsänderung umsetzen. Einer Neuordnung bedarf auch das Rollenspiel von Präsidium und Vorstand. Hier hat bedingt durch die automatische Mitgliedschaft von Vertretern der Exekutive eine unglückliche Machtverschiebung stattgefunden, die es zu heilen gilt. Die politische Koordination und Autorität müssen beim Bundesvorstand liegen als gewählter Vertretung der Mitglieder. Und wenn es um die notwendige Beteiligung der Mitglieder bei der personellen Neuaufstellung geht, muss überall vor Ort in den Verbänden die Diskussion geführt werden, die Kreisvorstände können Mitgliederbefragungen initiieren und die Delegierten zum Bundesparteitag sollten diese Meinung mitnehmen. Entschieden wird allerdings satzungsgemäß in einer geheimen Wahl auf dem Parteitag. Wichtig ist mit, dass der Teamgedanke und inhaltliche Fragen im Vordergrund stehen und nicht einzelne Personen.
Die Auseinandersetzungen mit unserer Schwesterpartei CSU um den Kanzlerkandidaten haben deutlich gemacht, dass wir an dieser Stelle ein besseres Verfahren brauchen. Ich könnte mir dafür, angelehnt an die Struktur der gemeinsamen Bundestagsfraktion, einen gemeinsamen Konvent von CSU und CDU vorstellen.
Endlich ins Handeln kommen
Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass wir unsere klugen Ideen auch umsetzen. Vieles wurde bereits in der Vergangenheit ausführlich diskutiert und zu Papier gebracht. Stellvertretend sei auf das über Corona in Vergessenheit geratene „Grundsatzprogramm“ oder die Parteireform-Kommission „Meine CDU 2017“ verwiesen. Aber: Noch immer warten unsere Kreisverbände auf die versprochene Entlastung durch ein funktionierendes Backoffice. Der Erhalt funktionierender Strukturen wird gerade für die ostdeutschen Kreisverbände von enormer Bedeutung sein.
Föderalismus leben
Grundlage unseres Politikverständnisses ist der Subsidiaritätsgedanke. Mein Credo dazu habe ich bereits in der Juli/August-Ausgabe der KOPO vorgestellt und bekräftige es hier nochmals: Entscheidend für einen erfolgreichen Föderalismus sind klare Strukturen und Zuständigkeiten sowie die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel – im Besonderen die notwendigen Finanzmittel. Förderprogramme des Bundes entpuppen sich immer wieder als „goldene Zügel“, weil der Bund nicht nur die Mittel bereitstellt, sondern selbstverständlich auch mitbestimmt, wie diese Mittel verwendet werden. Hinzu kommt, dass Förderprogramme die Schere zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen weiter öffnen, da finanzschwache Kommunen sich oftmals den nötigen Eigenanteil nicht leisten können. Das zeigt deutlich, dass wir einen Subsidiaritätsneustart brauchen, der dafür sorgt, dass jeder Verwaltungsebene für die ihr zugewiesenen Aufgaben ausreichend (Finanz-)Mittel zur Verfügung stehen. Wie in der Haushaltspolitik muss der ordnungspolitische Ansatz wieder klarer werden.
Mehr Beinfreiheit für Kommunalpolitiker
Kommunalpolitik muss mehr Instrumente für die Gestaltung vor Ort erhalten. Überbordende Bürokratie, Förderdschungel und Finanzkorsett haben uns schwer zu schaffen gemacht. Mit neuem Elan müssen wir vor Ort wieder die Innovationsmotoren werden. Es gibt überall gute Beispiele und auch in Großstädten wie Düsseldorf, Essen, Stuttgart jüngst gute Erfolge.
Klar ist: Als Volkspartei brauchen wir eine starke kommunale Basis und aktive Mitglieder. Ich lade alle Interessierten herzlich ein mitzumachen. Die Inhaltliche Auseinandersetzung und das Ringen um Lösungen macht uns attraktiv; Volkspartei Union im 21. Jahrhundert ist unser Ziel. Ich freue mich darauf, daran mitzugestalten.
Autor: Christian Haase MdB
Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) und der AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Der Beitrag erscheint in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO). Sie haben noch kein Abo? Am besten gleich hier abschließen!
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