Innenkongress

Beschluss: Eckpunkte für ein erfolgreiches Zusammenleben: So gelingen Integration und Einwanderung

Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) hat auf ihrer Bundesvertreterversammlung am 12. November 2016 in Bielefeld den Beschluss „Eckpunkte für ein erfolgreiches Zusammenleben: So gelingen Integration und Einwanderung“ verabschiedet.

Beschluss der Bundesvertreterversammlung am 12. November 2016

Eckpunkte  für  ein  erfolgreiches  Zusammenleben:  So gelingen Integration  und Einwanderung

Präambel

Unser Modell der Leistungsgesellschaft, verbunden mit sozialem Ausgleich und öffentlicher Fürsorge, ist erfolgreich und zieht Menschen aus Europa und aller Welt an. In einer durch moderne Kommunikationsmedien kleiner gewordenen Welt spricht es sich herum, wie gut man in unserem Land und unserer offenen und freiheitlichen Gesellschaft leben kann. Sozialstaat, Soziale Marktwirtschaft, stabil funktionierende kommunale Strukturen und Wohlstand sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Für viele Millionen Menschen in der Welt ist dies aber noch lange kein Standard. Hinzu kommen Krisensituationen und Kriege im unmittelbaren Umfeld von Europa, welche Menschen zur Flucht bewegen.

In Deutschland lebten Anfang 2015 rund 8,1 Millionen Ausländer. Davon sind rund ein Drittel aus der EU und 1,5 Millionen Menschen türkischer Staatsangehörigkeit. Seit Anfang 2015 sind rund 1,1 Million Menschen als Asylbewerber und Flüchtlinge dazu gekommen. Die zügige Aufnahme, Unterbringung und Versorgung dieser Menschen ist gelungen; die Kommunen sowie die Hilfskräfte und ehrenamtlichen Helfer haben eine hervorragende Arbeit geleistet. Dafür gebührt ihnen mehr denn je große Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Durch die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen konnte der Zustrom von Flüchtlingen deutlich reduziert werden, insbesondere durch das EU-Türkei-Abkommen, die stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen, die Bekämpfung der Schleuserkriminalität und die Zusammenarbeit mit mehr sicheren Herkunftsländern. Die Hilfe in den Flüchtlings-lagern in den Nachbarstaaten Syriens und die Bekämpfung von Fluchtursachen und die Entwicklungszusammenarbeit müssen künftigen Flüchtlingsströmen vorbeugen.

Deutschland muss jetzt die große Herausforderung der Integration noch offensiver angehen: Ob die gewaltige Herausforderung gelingt, die große Zahl von Menschen, die bei uns sind und die längerfristig bei uns bleiben werden, gut zu integrieren, entscheidet sich vor Ort in den Gemeinden, Städten und Landkreisen. Deshalb sind die Kommunen bei der Erstellung eines nationalen Integrationsplans gleichberechtigt mit dem Bund und den Ländern zu beteiligen. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen dabei auf einen starken Staat, der die Spielregeln des Zusammenlebens konsequent durchsetzt und die Rahmenbe-dingungen für Integration schafft.

Wir mussten aber auch feststellen, dass sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Akzeptanz vor Ort zeitweise an Grenzen gestoßen sind. Deshalb war und bleibt es Aufgabe aller politischen Ebenen, die Zuwanderung und die Integration zu ordnen, zu steuern und diejenigen, die nicht bei uns bleiben können, in ihre Heimatländer zurückzuführen. Damit können wir uns besser um diejenigen kümmern, die Schutz brauchen, bei uns bleiben und nun integriert werden müssen. Eine erneute Flüchtlingswelle ist mit geeigneten Mitteln zu vermeiden.

Wir, die Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU, entwickeln Bausteine für ein schlüssiges Gesamtkonzept für Einwanderung und gelingende Integration in Deutschland. Im Sinne strengster Konnexität müssen die Kommunen für die Bewältigung dieser, an der individuellen Lebenslage orientierten Aufgabe, mit den notwendigen finanziellen Mitteln vom Bund und den Ländern auskömmlich ausgestattet werden. Dabei haben wir schon viel erreicht: Mit den bereits verabschiedeten Maßnahmen der unionsgeführten Bundesre-gierung werden die Menschen, die zu uns kommen, besser gefördert und zu eigenen Leistungen stärker angehalten. Das Prinzip von „Fördern und Fordern“ steht bei uns im Fokus. Der Bund stellt den Ländern zusätzlich zu den Kosten für die Flüchtlingsversorgung jeweils 2 Milliarden Euro jährlich für die Integration zur Verfügung. 2017 und 2018 wird es zusätzlich je 500 Millionen für den Wohnungsbau geben; diese Mittel müssen in den Kommunen auch ankommen.

Nur klare Zuständigkeiten und eindeutige Verantwortlichkeiten können dazu führen, dass Integration als persönlicher und familiärer Prozess gelingt. Deshalb müssen die Kommunen eine fürsorgende und steuernde Aufgabe übernehmen. Hierzu müssen die bereitgestellten finanziellen Mittel ohne Umwege und einem Abzug durch die Länder bei den Kommunen ankommen.

In vielen Gemeinden, Städten und Kreisen gibt es erfolgreiche Integrationskonzepte. Diese müssen nun kurzfristig weiterentwickelt werden. Dort, wo es noch keine gibt, müssen sie erarbeitet werden. Integration wird nur erfolgreich sein, wenn wir die hier lebende Bevölkerung mitnehmen. Es darf daher keine grundsätzlichen Bevorzugungen oder Sonderregelungen, beispielsweise beim Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, geben. Integrationsregeln müssen für alle Zuwanderer und Zugewanderte in Deutschland gelten. In den vergangenen Jahrzehnten hat Deutschland viele Menschen integriert. Aber nicht in jedem Fall und überall war dies erfolgreich.

1. Einwanderungsgesetz muss klare Regeln setzen

Deutschland muss klare Regelungen für die Einwanderung festlegen. Über die aktuellen Anforderungen hinaus, sind die Regeln für die Einreise und den Aufenthalt in unserem Land in einem Gesetz zusammenzufassen.

Zwischen den unterschiedlichen Arten der Zuwanderung muss klar unterschieden werden. Die rechtliche Trennung zwischen originärem Asyl, der Aufnahme aufgrund der Genfer Flüchtlings-konvention, dem subsidiären Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge und der Arbeitsmigration muss sichergestellt werden.

Unsere sozialen Sicherungssysteme, der Fach- und Arbeitskräftebedarf und die demografische Entwicklung erfordern, ohne das Grundrecht auf Asyl in Frage zu stellen, die Auswahl und Prüfung der geeigneten Personengruppen sowie die Feststellung der individuellen Integrationserfolge. Hier müssen Monitoring- und Kontrollprozesse entwickelt werden. Wir möchten motivierte Zuwanderer bestmöglich fördern, fordern aber gleichzeitig von allen Neuankömmlingen und denjenigen, die bereits länger bei uns sind, die Integrationsangebote auch zu nutzen. Wenn deutlich wird, dass keinerlei Anstrengungen unternommen werden, muss dies auch Konsequenzen im Leistungsrecht und Aufenthaltsstatus haben. Rechtswirksam abgelehnte Personen müssen konsequent abgeschoben werden.

Wer zu uns kommt, kommt in ein funktionierendes Land. Wer bei uns bleiben will, muss zum Funktionieren seinen Beitrag leiten und sich in unser gesellschaftliches Miteinander einfügen und die Regeln unseres Zusammenlebens aktiv vertreten. Mehr denn je müssen wir als aufnehmende Gesellschaft zum  Ausdruck bringen, worauf es uns ankommt. Grundvoraussetzung ist, dass die Zugewanderten die deutsche Sprache erlernen. Auch diejenigen, die nur vorübergehend in unserem Land bleiben, werden mit einem Integrationspflichtgesetz verpflichtet, an Kursen teilzunehmen, die ihnen Perspektiven im Heimatland eröffnen. Wir haben sowohl Angebote als auch Pflichten für jeden, der bei uns bleiben möchte. Parallelgesellschaften dürfen wir nicht dulden.

2. Integrationspflichtgesetz mit Konsequenzen

Um Einwanderung und Integration besser zum Erfolg zu führen, haben wir durch das Integrationsgesetz einen ersten Rahmen geschaffen, in dem geregelt wird, wie der Bund, die Länder und die Kommunen zusammenarbeiten. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Staat und Zuwanderer  werden festgelegt. Diese bilden den rechtlichen Rahmen für verbindliche Eingliederungsvereinbarungen. Für ein funktionierendes System muss geregelt sein, wer für die Aufgabe „Integration“ zuständig ist, welche finanziellen Mittel dafür bereitstehen und wer gegebenenfalls welche Sanktionen oder Auflagen bestimmen darf.

Wir fordern die kommunale Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Angebote, Auflagen und Sanktionen. Nur vor Ort kann der Austausch über die individuellen Möglichkeiten und Herausforderungen gelingen. Es geht um den Einzelfall und den Überblick über die Personengruppen und Kapazitäten. Auf Länderebene ist sicherzustellen, dass die Kommunen die notwendigen Freiheiten behalten.

3. Verbindliche Eingliederungsvereinbarungen schließen

Jeder langfristige Aufenthalt in unserem Land erfordert die Pflicht zur Integration. Das setzt nicht nur die Bereitschaft zum schnellen Erlernen der deutschen Sprache, sondern auch die Achtung der gesellschaftlichen Werte und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus. Rechte und Pflichten der Menschen, die unsere Gesellschaft ergänzen und bereichern, müssen klarer artikuliert und verständlich gemacht werden. Integrationsschritte sind in einer verbindlichen Eingliederungsvereinbarung auch mit Sanktionsmechanismen zu verankern.

Ein Aufenthaltsstatus muss beispielsweise unter den Vorbehalt der Rechtstreue gestellt werden. Die Straffälligkeit von Zuwanderern und Flüchtlingen muss zur Verwirkung des Aufenthaltsrechts führen.

Ein unbefristetes Daueraufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis) kann nur dem gewährt werden, der eine Integrationsleistung erbracht hat. Dazu zählt zum einen der Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache sowie Grundkenntnisse unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung. Zum anderen dürfen keine Straftaten vorliegen und der Lebensunterhalt muss eigenständig gesichert werden können. Wer die Voraussetzungen für einen Daueraufenthalt nicht mehr erfüllt, dem muss der Status unter bestimmten Umständen aberkannt werden können.

4. Wohnsitzauflage ist Voraussetzung für das Gelingen der Integration

Um Integrationsanstrengungen vor Ort beispielsweise für Wohnen, Kinderbetreuung und Schulbildung nicht ins Leere laufen zu lassen, sind zeitweise Wohnsitzauflagen für Zuwanderer sinnvoll. Mit dem Integrationsgesetz des Bundes wurde den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet, Asylbewerbern ihren Wohnsitz längerfristig zuzuweisen. Nach der aktuellen Regelung müssen seit dem 1. Januar 2016 anerkannte Flüchtlinge, die noch keine Arbeit gefunden haben, ihren Wohnsitz in dem Land nehmen, dem sie zugewiesen wurden. Wohnsitzauflagen müssen beendet werden, wenn der Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestritten werden kann. Es versteht sich, dass die allgemeine Bewegungsfrei-heit im Bundesgebiet von der Wohnsitzauflage unberührt bleibt.

Wohnsitzauflagen beugen einer Segregation und der Verschärfung von sozialen Problemlagen in Ballungsräumen vor. Sie machen Integrationsangebote erst plan- und steuerbar. Für dieses Ziel muss auch der zweite Schritt der Wohnsitzauflage durch das jeweilige Land umgesetzt werden, nämlich die Möglichkeit, Flüchtlingen innerhalb des Bundeslandes einen bestimmten Wohnsitz zuzuweisen. Eine landesinterne Wohnsitz-auflage muss sich nach dem jeweiligen Länderverteilungsschlüssel richten, damit erste Integrationsschritte weitergegangen werden können.

Wir begrüßen, dass diese Regelung nun als Bestandteil des Integrationsgesetzes in Kraft getreten ist, mahnen aber eine konsequente Umsetzung an. Die Ablehnung der Regelung durch einzelne Bundesländer sehen wir als kontraproduktiv an. Denn die Wirksamkeit einer Wohnsitzauflage ist nur dann gegeben, wenn alle Bundesländer die in dem Gesetzentwurf dafür vorgesehenen Rechtsnormen erlassen. Andernfalls droht ein Flickenteppich innerhalb Deutschlands, der den Zielen einer Wohnsitzauflage zuwiderlaufen kann.

Zuwanderung ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels für viele Regionen, besonders aber für den ländlichen Raum, auch als Chance zu sehen. Wir wollen eine gezielte und auch finanziell geförderte Integrationspolitik im ländlichen Raum, die neue Chancen für den ländlichen Raum eröffnet.

5. Kommunen mit ausreichend Finanzmitteln ausstatten

Einwanderung und Integration kosten Geld: Beim Übergang vom Asylbewerberleistungs-gesetz ins SGBII müssen bisher die Kommunen ihren Anteil an den Kosten der Unterkunft (KdU) tragen. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Ausbau der Kinderbetreuung und der Schulen sowie die Kosten für Integrationslotsen und bedarfsgerechte Integrationsangebote werden erhebliche kommunale Mittel beanspruchen. Dazu kommen die aufgelaufenen Kosten der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen sowie die Kosten der Vorhaltung von Unterkünften und Infrastruktur. Diese Kosten können die Kommunen nicht tragen.

Die unionsgeführte Bundesregierung hat die Finanzausstattung der Kommunen mit der  Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU) kurzfristig deutlich verbessert, wenn auch nur befristet auf drei Jahre.  Die wachsende Gesamtaufgabe „Integration und Eingliederung“ auch für die schon länger bei uns lebenden Menschen ist damit allerdings nicht finanziert. Die aktuelle Regelung sieht vor, dass die durch den Bund zur Verfügung gestellte Integrationspauschale von jeweils 2 Milliarden Euro jährlich den Ländern zur freien Verwendung überlassen wird. Hier ist darauf zu achten, dass die Mittel ohne Umwege bei den Kommunen ankommen.

6. Leistungsrecht für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge anpassen

Die zunehmende Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stellt eine große Herausforderung für die Kommunen dar. Überwiegend handelt es sich um Personen zwischen 15 und 17 Jahren. Wir müssen sicherstellen, dass sie geschützt und gut betreut werden. Die in Deutschland zurzeit geltenden Regelungen z.B. der Inobhutnahme von Jugendlichen, die von ihren Eltern nicht betreut werden können, sind auf solche Situationen und so große Zahlen nicht ausgerichtet.

Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt müssen, wie im derzeitigen Koalitionsvertrag verabredet, auf den Prüfstand und auch grundsätzlich angepasst werden, damit diese Aufgabe sowohl organisatorisch wie finanziell auch in Zukunft leistbar bleibt.

7. Familiennachzug steuern

Unsere Anstrengungen zur geordneten Bewältigung des Flüchtlingszustroms schöpfen die Kapazitäten der Kommunen in vielerlei Hinsicht bereits mehr als aus. Ein unbegrenzter Familiennachzug würde die Situation vor Ort in unseren Städten und Gemeinden weiter strapazieren, so dass durch diese Zusatzbelastung eine Überforderung droht.

Ein zeitlich begrenztes Moratorium, wie es im Asylpaket II angelegt wurde, ist geeignet, um den Nachzug von Familien steuern zu können und dementsprechend auch vor Ort die erforderlichen Voraussetzungen für einen Familiennachzug zu schaffen.

Durch das EU-Recht vorgesehene Möglichkeiten, Familienangehörige nachzuholen, müssen als Höchstmaß festgeschrieben werden. Es muss bei Entscheidungen zum Familiennachzug zwischen der Schutzbedürftigkeit nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem subsidiären Schutz unterschieden werden. Für subsidiär Schutzberechtigte sollte es keinen Familiennachzug mehr geben, um falsche Signale nach außen zu vermeiden. Wir können es nicht leisten, dass jeder zu uns kommen, bei uns bleiben und die Familie nachholen kann.

8. Wohnungsbauinitiative starten

Deutschland bedarf – unabhängig von dem Zuzug von Flüchtlingen – einer umfassenden Wohnungsbauinitiative, sowohl im sozialen als auch im frei finanzierten Wohnungsbau. Dazu müssen ordnungsrechtliche und steuerliche Anreize geschaffen, ggf. die Landes- und Regionalplanung angepasst und Hemmnisse auch bei der Baulandmobilisierung abgebaut werden.

Unser Ziel ist die Schaffung ausreichenden Wohnraums in allen Preissegmenten und Bereichen unter Berücksichtigung der geänderten Lebensverhältnisse. Insgesamt muss verstärktes Augenmerk auf die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für diejenigen Menschen gelegt werden, die zwar keine Hilfeansprüche nach den Sozialgesetzbüchern der Bundesrepublik Deutschland haben, die sich die hohen Mieten des frei finanzierten Wohnungsbaus aber zunehmend nicht leisten können. Dies gilt insbesondere für den Wohnraum für Geringverdiener, kinderreiche Familien, Alleinerziehende und Senioren, auch mit Blick auf den stark steigenden Bedarf an barrierefreiem Wohnraum. Hierzu gehört auch eine gezielte Eigenheimförderung vor allem für Familien. Jeder Umzug in ein Eigenheim entlastet auch den Mietwohnungsmarkt. Die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen sind zeitnah umzusetzen.

Die Aufstockung der 518 Millionen Euro Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau um jährlich 500 Millionen Euro für die Jahre 2017 und 2018 ist ein erster wichtiger Schritt, der aber nicht dazu führen darf, dass heute die sozialen Brennpunkte von morgen gebaut werden.

Die Länder sind aufgefordert, diese Mittel zweckentsprechend einzusetzen und aufzustocken. Mittelfristig könnten beispielsweise Erbbaumodelle Einstiegs-möglichkeiten für Flüchtlinge sein, Eigenverantwortung für selbstgenutzte Wohnungen oder Häuser zu übernehmen. Die Beschränkungen der kommunalen Planungshoheit durch restriktive Regelungen der Landesplanung hindern die Städte in den Ballungsräumen an der Schaffung von Bauland für die benötigten Wohnungen. Die betroffenen Bundesländer müssen daher unverzüglich ihre Landesentwicklungs- und Regionalpläne lockern, um den Städten zu ermöglichen,  eigenverantwortlich und bedarfsgerecht ihrer Aufgaben zur Schaffung neuer Wohngebiete nachkommen zu können.

Schon mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist die Möglichkeit für den Bund, die Länder und die Kommunen geschaffen worden, von Regelungen etwa im Vergabe-, Bau- und Energieeinsparrecht abzuweichen. Davon muss stärker Gebrauch gemacht werden. Hier eröffnet sich eine große Chance, zu einer neuen Bewertung von Standards in Deutschland zu kommen. Wir müssen jetzt die Chance nutzen, Standards und Normen kritisch zu hinterfragen und Bürokratie im Bauplanungsrecht und Baurecht abzubauen.

9. Integrationscenter und Integrationslotsen koordinieren Angebote

Die Einhaltung und der Erfolg von Integrationsvereinbarungen müssen individuell überprüft werden. Integration braucht aber auch gezielte Förderung. Eine kommunale Einrichtung muss Anlaufstelle für die Zuwanderer und Flüchtlinge sein. Wir wollen möglichst viele Leistungen für Zuwanderer und Flüchtlinge bündeln. Ausländeramt, Jobcenter, Familienkasse, BAMF, Kinder- und Jugendhilfe, Schule und Berufsbildung organisieren ein gemeinsames Integrationscenter bzw. vereinbaren, wo das nicht möglich ist, eine enge Zusammenarbeit. Der Datenaustausch muss gewährleistet und in einer E-Akte zusammengefasst werden.

Eine besondere Rolle können dabei kommunale Integrationslotsen einnehmen. Sie können eine Berater- und Vermittlerrolle zwischen der ansässigen Bevölkerung und Neuankömmlingen übernehmen sowie zu den Behörden, Gesundheits-, Jugendeinrichtungen und Betrieben. Integration geht aber über Spracherwerb und Berufseinstieg hinaus. Deshalb sollten in allen Kommunen Integrationslotsen Angebote koordinieren, damit Ressourcen effizient eingesetzt werden können und Integration bedarfsgerecht erfolgt. Freiwillige Integrationsausschüsse können die Arbeit unterstützen.

10. Zusammenleben funktioniert nur mit gemeinsamer Sprache

Wesentliche Grundlage für die Eingliederung in unsere Gesellschaft ist das Beherrschen der deutschen Sprache, des Schreibens und Rechnens; dies muss zur Mindestvoraussetzung für das Aufenthaltsrechts von Zuwanderern werden. In den Kommunen hat sich ein vielfältiges Sprachlernangebot verschiedenster Träger und Initiativen entwickelt. Der Spracherwerb ist der Schlüssel zur Integration. Erst Sprachkenntnisse ermöglichen es, dem Schulunterricht zu folgen, eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen, einen Arbeitsplatz zu finden und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sprachkurse und – wo nötig – auch Alphabetisierungskurse müssen erfolgreich absolviert werden oder entsprechende Kenntnisse nachgewiesen werden. Dabei kommt in nicht wenigen Fällen der frühen Alphabetisierung eine besondere Rolle zu, befähigt doch erst die Kenntnis der lateinischen Schrift und das Lesen und Schreiben in dieser zum Erlernen von Sprache und anderen Qualifikationen. Nicht wenige Zuwanderer kommen aus einem Kulturraum, in dem zwar Lesen und Schreiben in Schulen gelehrt wird, nicht jedoch die lateinische Schrift. Bei der Organisation solcher Kurse ist darauf zu achten, dass Frauen einen Zugang haben. Gerade für kleine Kinder muss zu Hause der deutsche Sprachfortschritt erlebbar sein. Die Finanzierung dieser Kurse und Angebote muss aus Bundes- und Landesmitteln sichergestellt werden.

11. Respektvolles Zusammenleben der Religionen

Wir wollen ein respektvolles Zusammenleben und die gegenseitige Achtung der Religionen gemäß der Religionsfreiheit unseres Grundgesetzes. Wir wollen den Diskurs über Religion und die Selbstreflektion fördern. Alle Religionen und Glaubensgruppen müssen sich selbstverständlich dem Rechtsstaat unterordnen, zum Gewaltmonopol unseres Staates und zur freiheitlichen Grundordnung aktiv bekennen. Das ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Zusammenleben und die gewünschte Wahrnehmung von Aufgaben in der Wohlfahrtspflege vor Ort (Kinderbetreuung, Schule, Seelsorge, Pflege).

Alle Religionsgemeinschaften und Glaubensgruppen müssen sicherstellen, dass die Vereinbarkeit von Religion und kultureller Identität unseres Landes gewährleistet werden.

Wir wollen insbesondere den Dialog mit Moscheevereinen und muslimischen Gemeinschaften weiterentwickeln und prüfen, unter welchen Bedingungen die Anerkennung von  Religionsgemeinschaften zu Körperschaften des öffentlichen Rechts förderlich sein können, um auch einen ordnungsgemäßen Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht zu gewährleisten.

12. Kinderbetreuung ausbauen

Wir wollen Integration von Anfang an: Auch zugewanderte und geflüchtete Kinder müssen   passgenaue Betreuung und Förderung erhalten. Integrationsvereinbarungen müssen – im Gegenzug zum Rechtsanspruch auf den Betreuungsplatz – den Besuch von Betreuungs-einrichtungen, Qualifikations- und Sprachstandsfeststellungen und qualifizierende Elternarbeit vorsehen.

Spielgruppen leisten als niederschwelliges Angebot einen wichtigen Beitrag, um Kinder erstmals an Regelbetreuungsangeboten heranzuführen und um ggf. vorhandene Vorbehalte von Eltern abzubauen. Langfristig ist es selbstverständlich und aus integrativen und pädagogischen Gründen sinnvoll, die zugewanderten und geflüchteten Kinder im Regelsystem – Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege – zu betreuen. Separate „Flüchtlingsgruppen“ können zunächst den Start für die Kinder erleichtern, sind aber langfristig aus Integrationsgesichtspunkten abzulehnen.

Bundesweit ergibt sich ohnehin ein Bedarf an zusätzlichen Kita-Plätzen und zusätzlichen Fachkräften. Um diesen abdecken zu können, muss die Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher beschleunigt werden. Die Kommunen sind beim Ausbau der Kinderbetreuungs-angebote sowohl bei den erforderlichen Investitionskosten als auch bei den Betriebs- und Personalkosten ausreichend finanziell zu unterstützen.

13. Schulen bei neuen Herausforderungen unterstützen

Ein großer Teil der Flüchtlinge befindet sich noch im schulpflichtigen Alter. Die Kinder haben das Recht und die Pflicht, in die Schule zu gehen. Über Vorbereitungsklassen für zugewanderte und geflüchtete Kinder und Jugendliche können diese schnell an das Regelsystem herangeführt werden. Das bietet die Chance, im bisherigen Bildungsverlauf Versäumtes nachzuholen und den Kindern und Jugendlichen eine schulische Bildung zugutekommen zu lassen, wie sie den Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes entspricht. Kinder und Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, die regulären Bildungseinrichtungen zu besuchen und einen qualifizierten Abschluss zu erlangen. Hierfür ist auch die Einrichtung einer ausreichenden Zahl an gezielten Sprachlernklassen erforderlich. Um das Ziel zu unterstützen, sind Eltern in den Bildungsweg ihrer Kinder eng einzubeziehen.

Die Länder sind aufgefordert, für die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte und die Entwicklung von Qualifizierungskonzepten, wie Lehrkräfte auf diese große pädagogische Herausforderung mit teilweise traumatisierten Kindern und Jugendlichen vorbereitet werden können, zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist die Schulsozialarbeit zu stärken und entsprechend von den Ländern finanziell abzusichern. Die Förderung eines Bildungskoordinators für jeden Kreis durch den Bund wird begrüßt.

14. Gute Berufsorientierung, gesicherte Ausbildung und Studieneinstieg

Für eine erfolgreiche Ausbildung ist eine gute Berufsorientierung notwendig. Um Anreize für mehr Ausbildung zu setzen, müssen die Aufenthaltsregeln sicherstellen, dass die Ausbildungsphase abgeschlossen und erste praktische Erfahrung im Betrieb gesammelt werden können. Deshalb ist es richtig, dass die Möglichkeit eröffnet wurde, frühzeitig ein Praktikum ohne Genehmigung der BA aufzunehmen, und dass sichergestellt ist, dass eine angefangene Ausbildung auch beendet werden kann. Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen die Praktikumszeiten, bei denen vom Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate verlängert werden. Berufsschulangebote in Kooperation mit den Handwerks- und Industrieverbänden sind anzupassen und zu flexibilisieren.

Um die wissenschaftlichen Standards im deutschen Bildungswesen weiterhin zu gewährleisten, muss die Studienplatzvergabe unter einheitlichen und geprüften Vorgaben erfolgen. Um Menschen mit akademischer Ausbildung, aber ohne gültige oder bewertbare Papiere eine Chance auf eine Hochschulbildung zu geben, sollen die Länder umfassende Eignungstests durchführen.

15. Berufliche Anerkennungsverfahren weiterentwickeln

Integration ist individuell, denn jeder Flüchtling hat unterschiedliche Vorkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen. Diese Angaben müssen frühestmöglich ermittelt werden. Es zeichnet sich ab, dass die Ermittlung des Qualifikationsniveaus sehr zweitaufwändig sein wird.

Passgenaue Eingliederungsmaßnahmen erleichtern die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz. Für die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist die Anerkennung ihrer vorhandenen Berufsqualifikationen von zentraler Bedeutung. Die bisherigen Verfahren müssen pragmatischer gestaltet werden. Wir begrüßen die Einstellung von Koordinatoren bei den Industrie- und Handelskammern sowie im Handwerk. Die Bundesregierung hat als guten Schritt das erste Anerkennungsgesetz erfolgreich eingeführt.

16. Rückkehroption offen halten

Viele Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten wollen nach Beendigung der Krisensituation in ihrem Land in ihre Heimat zurückkehren. Sie werden nach Beendigung der Krisensituation in ihren Heimatländern dringend gebraucht und von den hier erworbenen sprachlichen und beruflichen Erfahrungen profitieren.

Wir schlagen vor, in Kooperation mit der Wirtschaft Programme zur Bildung und Weiterbildung speziell für Flüchtlinge zu erarbeiten, um sie für den Wiederaufbau in den Heimatländern oder die langfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Dazu könnten auch spezielle „Berufsschulen“ und „Jugendaufbauwerke“ errichtet werden, um schnell mit beruflicher Bildung beginnen zu können und parallel den Spracherwerb zu forcieren.

17. Mehr Arbeitsgelegenheiten schaffen

Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben die unterschiedlichsten beruflichen Qualifikationen und Vorerfahrungen. Schon jetzt ist absehbar, dass für einen Großteil die Arbeitsmarktintegration längere Zeit benötigen wird. Einige haben unter Umständen auf längere Sicht nur wenige Chancen. Dauerhafter Ausschluss vom Arbeitsmarkt führt zur Frustration und kann Integration hemmen und verhindern.

Umgekehrt ist die Aufnahme von Arbeit ein ganz wesentlicher Schritt der Integration von Menschen in die Gesellschaft und gibt Flüchtlingen die Chance, möglichst rasch für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Dies gibt eine Tagesstruktur und entlastet die Kommunen und Sozialkassen bei den Kosten. Arbeitsgelegenheiten vor Ort halten wir hierbei für das richtige Mittel.

Wir begrüßen den Vorstoß des Arbeitsmarktprogramms „Flüchtlingsintegrations-maßnahmen“. Für Leistungsberechtige aus dem Asylbewerberleistungsgesetz werden Arbeitsgelegenheiten zum Ziele einer niedrigschwelligen Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt geschaffen. Eine sinnvolle und gemeinnützige Betätigung während des Asylverfahrens unterstützen wir.

Das gleiche Angebot könnte dann auch anderen Arbeitssuchenden ohne Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Eine solche Beschäftigung kann beispielsweise bei gemeinnützigen  Organisationen, kommunalen Einrichtungen oder Unternehmen sowie Wohnungsbaugesellschaften und kommunalen Beschäftigungsgesell-schaften erfolgen. Tätigkeiten im Rahmen von öffentlicher Beschäftigung müssen gemeinwohlorientiert, wettbewerbsneutral, möglichst wohnungsnah sein und im öffentlichen Interesse liegen.

Bei vielen Unternehmen gibt es eine große Bereitschaft, bei der Integration in den Arbeitsmarkt durch Angebote von Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu helfen. Gerade die großen  Unternehmen müssen allerdings stärker ihrer Verantwortung nachkommen. Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter müssen mit festen Ansprechpartnern dieses noch stärker unterstützen.

18. Integration in Ehrenamts- und Vereinsstruktur forcieren

Ein zentrales Element für eine Integration ist die Aktivierung und Koordination des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes. Dabei geht es zum einen um die Einbindung bereits bestehender Institutionen des gesellschaftlichen Lebens wie z. B. Sport-, Musik-, Kultur- und Schützenvereine in die Integrationsstrategie der Kommunen. Hier können die Kommunen für noch mehr Koordination und Abstimmung sorgen.

In den vor Ort vorhandenen Strukturen und zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen können sich alle Einwohner für unser Land engagieren. Die Einbindung von Zuwanderern und jetzt aktuell der Flüchtlinge in die Ehrenamts- und Vereinsstruktur muss gefördert werden. So kommen Menschen schnell mitten in unserer Gesellschaft an.

Der Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes zeigt ganz deutlich, wie groß die Bereitschaft der Deutschen zum Dienst am Gemeinwesen ist. Wir begrüßen, dass der Bundesfreiwilli-gendienst noch einmal erweitert und 10.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Dort können sich nicht nur Deutsche, sondern auch Flüchtlinge mit sicherer Bleibeperspektive für unser Land engagieren und damit ein starkes Zeichen der Integrationsbereitschaft setzen. Dies gilt auch für die Ableistung des Freiwilligen Sozialen Jahres. Beschluss_Integration

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