Strukturpolitik

Beschluss kommunal 2008: Daseinsvorsorge als Selbstbestimmung vor Ort entwicklen!

Die kommunale Daseinsvorsorge muss laut Beschluss der KPV-Bundesvertreterversammlung 2008 weiterentwickelt werden, um auch künftig die hohe Lebensqualität in den Kommunen sicherzustellen. Hierbei sind die Prinzipien „Gewähleistungsauftrag“, „Demokratische Legitimation und Kontrolle“, „Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit“ sowie „Kleine Einheiten“ zu berücksichtigen.

Leitantrag/Beschluss der Bundesvertreterversammlung am 15. November 2008 in Duisburg

Daseinsvorsorge als Selbstbestimmung vor Ort entwickeln!

Unsere Antwort auf Globalisierung:
Kommunale Selbstverwaltung mit starker Verantwortung

Kommunale Daseinsvorsorge ergibt sich aus dem Bestreben vor Ort die Geschicke selbst in die Hand zu nehmen, wenn der Einzelne überfordert ist. In christlicher Verantwortung überlassen wir die Menschen in unseren Gemeinden, Städten und Kreisen nicht ihrem Schicksal. Daseinsvorsorge ist der Kern Kommunaler Selbstverwaltung. Es geht dabei um eine am Gemeinwohl orientierte Grundversorgung der Menschen, als Ausdruck der Sozialen Marktwirtschaft, die sich immer als ein Bündnis der Stärkeren mit den Schwächeren in der Gesellschaft versteht.

Daseinsvorsorge orientiert sich an den Menschen, ihren Bedürfnissen und Lebenslagen. Daseinsvorsorge umfasst insbesondere Leistungen, deren Erbringung einer besonderen Infrastruktur bedarf. Gesellschaftliche Bedingungen verändern auch den Kanon der Leistungen der Daseinsvorsorge.

Kommunale Daseinsvorsorge sichert die Lebensqualität in unserem Land. Kommunen gewährleisten eine bürgernahe, flächendeckende, sozialverträgliche Wahrung öffentlicher Aufgaben auf hohem Niveau.
Wir erwarten Wertschätzung und Respekt der besonderen deutschen Tradition und Erfahrung, so wie es begrüßenswerterweise im EU-Reformvertrag vorgesehen ist.

Gerade im Zeitalter der Globalisierung wollen wir die Verantwortung und Entscheidungsfreiheit vor Ort stärken.Die Menschen sollen vor Ort selbst entscheiden, welche Leistungen in welcher Form angeboten werden. Wir brauchen einen weiten Handlungsrahmen um Kommunale Selbstverwaltung wieder erlebbar zu machen.

Im Grundsatzprogramm der CDU ist zu finden:

„Öffentliche Aufgaben sollen im Sinne der Bürgernähe auf kommunaler Ebene erfüllt werden, wo immer dies möglich und sinnvoll ist. Eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen ist sicherzustellen. Bei der Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen müssen das Subsidiaritäts- und das Konnexitätsprinzip Anwendung finden.“ ( …)

„Auch für die kommunale Ebene gilt: Die öffentliche Hand soll nur dann tätig werden, wenn eine Leistung nicht ebenso gut oder besser durch Private erbracht werden kann.“ ( …)

„Sozialstaatliche Daseinsvorsorge darf nicht zur Entmündigung durch den Staat führen. Sie muss die Leistungsfähigkeit des Einzelnen fördern und sein solidarisches Engagement fordern – auch hier gilt das Subsidiaritätsprinzip.“

In den Grundsätzen der CSU heißt es dazu:

„Träger öffentlicher Dienstleistungen und der Infrastruktur sind die Städte, Gemeinden und Zweckverbände. Die kommunale Daseinsvorsorge hat in Bayern Verfassungsrang. Deshalb wenden wir uns gegen Forderungen der Europäischen Union, auch die Angebote der Daseinsvorsorge ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu regeln. Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung gehören zu den Kernbereichen der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Kommunen weiter in eigener Verantwortung diese Aufgaben gestalten und eigenverantwortlich entscheiden, inwieweit sie Dritte mit dieser Aufgabenstellung betrauen. Die CSU sieht die Kommunen auch weiterhin für Kultur, Sport und Freizeitgestaltung zuständig.“

Die kommunale Daseinsvorsorge muss für uns nach folgenden Prinzipien weiterentwickelt werden:

  • Gewährleistungsauftrag
    Es muss eine definiertes Angebot von Leistungen und die kontinuierliche Überprüfung der Qualität sichergestellt werden. Die Leistung kann durch private Unternehmen, in Kooperation mit diesen oder durch kommunale Unternehmen oder die Kommune selbst bzw. in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen erbracht werden. Wenn Privaten eine Aufgabe übertragen wird, müssen besondere Maßnahmen zum „Ausfallschutz“ getroffen werden. In strukturschwächeren  Gebieten müssen Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
  • Demokratische Legitimation und Kontrolle
    In der Kommunalen Selbstverwaltung muss geprüft werden, was von jedem Einzelnen erwartet werden kann, was die örtliche Gemeinschaft übernehmen muss. Kommunen können überfordert sein. Bevor staatliche Ebenen bestimmte Aufgaben  übernehmen, die von Kommunen nicht erledigt werden können, muss nach den Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die Übernahme geprüft und begründet werden. Welche Leistungen der Daseinsvorsorge von der Kommune gewährleistet werden sollen, müssen die Menschen vor Ort in der Kommunalen Selbstverwaltung selber beschreiben und die unterschiedlichen Interessenlagen zum Ausgleich bringen. Es geht um Versorgungssicherheit, Qualitätsbestimmung, Preistransparenz und Sozialverträglichkeit. Eine konkrete Prüfung der Qualität ist  sicherzustellen.
  • Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit
    Grundsätzlich muss der Zugang und die Versorgung aller Menschen zu akzeptablen Preisen in allen Regionen Deutschlands gewährleistet sein (Zugangsgerechtigkeit und sozialer Friede). Dies erfordert laufende und rentable Investitionen in die Infrastruktur, einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen und eine dauerhafte Leistungserbringung bei definierter Qualität. Eine Finanzierung darf die nächsten  Generationen nur so belasten, wie es der Nutzen erlaubt.
  • Kleine Einheiten
    Überschaubare Großenordnungen und klare Strukturen erleichtern die Steuerung  vor Ort und reduzieren Abhängigkeiten. Dies gilt für die Kommunen, deren  Unternehmen aber auch für private Partner. Freiwillige Kooperationen und möglicherweise Zusammenschlüsse zwischen Kommunen können ein erfolgreiches Mittel sein, um gesamtgesellschaftliche Risiken zu reduzieren.

Daraus leiten wir Schlussfolgerungen und Empfehlungen sowie erste Forderungen für das Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2009 ab:
10 Forderungen zur nachhaltigen Sicherung der Lebensqualität vor Ort:

(1) In den Gemeinden, Städten und Kreisen wollen wir einen Dialog über die Zukunft der Kommunalen Selbstverwaltung und die Leistungen der Daseinsvorsorge anstoßen. Ziele der Kommunalen Selbstverwaltung sollten intensiv mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden. Die bestehenden Aufgaben und Leistungen sollten hinterfragt und gegebenenfalls in ihrer Notwendigkeit neu begründet werden. Die Kommunalpolitik muss mit den Menschen vor Ort die      Ziele der öffentlichen Daseinsvorsorge und ihre Grenzen neu definieren.  Zielvereinbarungen sind der Ausgangspunkt der politischen Steuerung der Aufgabenerfüllung.

(2) Um den Menschen vor Ort Leistungen gewährleisten zu können, brauchen Kommunen Freiraum und einen praxistauglichen rechtlichen Rahmen. Das Konzessionsrecht und das Vergaberecht müssen für die Kommunen besser handhabbar sein. Vor Ort muss selbst entschieden werden können, ob eine Aufgabe der Daseinsvorsorge durch die Kommune, durch kommunale Unternehmen, im Wege kommunaler Kooperationen oder durch teilweise oder völlige Übertragung auf Private erfüllt werden soll. Erst wenn private Dritte eingebunden werden, ist Raum für die Anwendung des Vergaberechts. Kleinere und mittelständische Unternehmen müssen mehr als bisher bei      Ausschreibungen und Vergaben Berücksichtigung finden. Konzessionen sichern die langfristige und gerechte Ver- und Entsorgung vor Ort.

(3) Die Bürgerinnen und Bürger müssen an den Entscheidungen der kommunalen Daseinsvorsorge stärker beteiligt werden. Bei Privatisierungen und Verlagerungen von Aufgaben in privatwirtschaftliche Betriebe sollten grundsätzlich öffentliche Anhörungen und gegebenenfalls Bürgerentscheidungen durchgeführt werden.

(4) Dort, wo die Leistungen in kommunalen Unternehmen erbracht werden, sollten auch die ehrenamtlichen Vertreter der Kommune in den Gremien eine starke und selbstbewusste Rolle übernehmen. Um eine Rückkopplung zu den Anteilseignern und deren Vertretern, dem jeweiligen Stadt-/Gemeinderat/Kreistag, zu verstärken, sollte ein kontinuierliches Berichts- und Rechenschaftswesen aufgebaut werden. Gegebenenfalls sind neue Steuerungselemente in die     kommunalwirtschaftlichen Regelungen der Länder aufzunehmen.

(5) Kommunale Unternehmen sollen sich grundsätzlich auf ihre Kommune konzentrieren. In nicht liberalisierten Märkten ist das Örtlichkeitsprinzip für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu beachten. Wenn es erforderlich ist, sollten Kooperationen zwischen Kommunen (Interkommunale Zusammenarbeit) oder ihrer Unternehmen angestrebt werden.

(6) Die Kompetenz der Vertreter der Kommunen in den Gremien kommunaler Einrichtungen und Unternehmen sollte weiter verbessert werden. Die Unternehmen und die Kommunalverwaltungen sind aufgefordert, kontinuierlich die Mandatsträger weiterzubilden. Die Vertreter der Kommunen in den Gremien sollten sich bei Übernahme von Mandaten darauf verständigen, Fortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen.

(7) Dort, wo die Leistung der Daseinsvorsorge von privaten Unternehmen oder in Kooperation mit Privaten erbracht wird, sollten Verträge öffentlich ausgelegt und die Bedingungen so gestaltet sein, dass auch die Risiken oder gar der Ausfall der Leistungserbringung (z.B. bei Insolvenz) entsprechend ihrem Anteil an der Kooperation abgesichert sind.

(8) Es ist erforderlich bei den Leistungen der Daseinsvorsorge die Preiskalkulation bzw. Gebührenbildung transparent zu machen, insbesondere auch die Höhe der Vergütungen für Arbeiter, Angestellte und Vorstände.

(9) Nach den bisherigen Erfahrungen und den Bedingungen des Vergaberechts sollten Mischkonstruktionen zwischen privaten und kommunalen Unternehmen von Zeit zu Zeit überprüft werden. Dabei könnte die politische Steuerung und das Controlling im Mittelpunkt stehen.

(10) Im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft müssen Kommunen Aufgaben rekommunalisieren können, wenn sie dies unter Abwägung aller Umstände vor Ort als die im Interesse der Bürgerinnen und Bürger beste Form der Aufgabenerfüllung zur Daseinsvorsorge ansehen.

Deshalb fordern wir für das Regierungsprogramm 2009:

  1. Eine klare Positionierung gegenüber der EU und Durchsetzung des Respekts und der Wahrung der Kommunalen Selbstverwaltung und insbesondere der  kommunalen Gestaltungsfreiheit im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge.
  2. Eine Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge in Kommunaler Selbstverwaltung als eine Antwort auf die Globalisierung.
  3. Einen Ausbau der Interkommunalen Zusammenarbeit und einen Abbau der Zusammenarbeit entgegenstehenden Hürden insbesondere im Vergaberecht.
  4. Eine Vereinfachung der Voraussetzungen für Maßnahmen in öffenlich-privaten Partnerschaften (PPP-Vereinfachungsgesetz)
  5. Einen grundsätzlichen Verbleib netzgebundener Infrastruktur in der öffentlichen Hand, wenn am Betrieb Private beteiligt werden sollen.
  6. Den Erhalt der kommunalen Entscheidungshoheit insbesondere im Wasserver- und Abwasserentsorgungsbereich (keine Zwangsentkommunalisierung).
  7. Eine Vereinfachung des Vergaberechts auch auf europäischer Ebene und eine Erweiterung der freien Vergabe.
  8. Einen Ausbau der Möglichkeiten durch Konzessionen rechtssicher Unternehmen mit der Leistungserbringung beauftragen zu können.
  9. Den Erhalt und die Stärkung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen als dritte Säule unseres Finanzwesens und eine stabile kommunale Verankerung zur Entwicklung der Wirtschaft, des kulturellen Lebens und des Zusammenhalts vor Ort.
  10. Die Aufnahme des Dialogs zwischen Bund/Ländern mit den Kommunen für eine bessere Verzahnung und Qualität der Bildungseinrichtungen.
  11. Die Entwicklung einer starken kommunalen Rolle in der zukünftigen Arbeitsmarktpolitik.
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