Finanzen

Chance zum Sofortprogramm für die Kommunen verpasst

Der Vorstand der Kommunalpolitischen Vereinigung ist mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers äußerst unzufrieden und fordert die Regierung Schröder auf, ihre kommunalfeindliche Politik zu beenden. Für die Kommunen wird eine solide Finanzausstattung gefordert, eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme sowie die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Darüber hinaus soll das Konnexitätsprinzip ins Grundgesetzt aufgenommen werden.

Der Vorstand der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands hat auf der Sitzung vom 14. März 2003 folgenden Beschluss gefasst:

Die Kommunalpolitiker der Union sind von der Regierungserklärung des Bundeskanzlers mehr als enttäuscht. Kein großer Wurf – Reformpleite des Kanzlers!

Die Kommunen sind am Rande des Ruins. Haushaltssicherungskonzepte lassen keinen Raum mehr für demokratisch gestaltbare freiwillige Aufgaben. Die Kommunen sind am Gängelband der Staatsaufsicht. Die kommunale Selbstverwaltung – vom Grundgesetz gefordert – ist praktisch am Ende.
Auf fast 10 Mrd. € steigt das Gesamtdefizit in den Haushalten der Städte, Gemeinden und Landkreise in diesem Jahr an. 1998 hatten sie noch 2,1 Mrd. € Überschuss.

Die kommunalen Steuereinnahmen brechen ein (2001 – 5,4 %, 2002 – 4,1 %). Das ist deutlich mehr als bei Bund (2002 – 1,6 %) und Ländern (2002 – 0,2 %). Laufende Kosten müssen auf Rekordniveau und gegen geltendes Recht mit teuren Überziehungskrediten bezahlt werden: 11,7 Mrd. € zur Mitte des Jahres 2002.


Wir fordern die Regierung Schröder auf, ihre kommunalfeindliche Politik zu beenden:

  • Die kommunalen Investitionen brechen ein (2001 – 6 %, 2002 – 2,4 %, 2003 – 11,8 %). Die Folgen sind katastrophal: die Infrastruktur des Standorts Deutschland verfällt. Schwimmbäder und Bibliotheken, Jugendzentren und Musikschulen und vieles mehr müssen geschlossen werden. Viele Schulen sind in einem erbarmungswürdigen Zustand. Zu schlechter Bildung – siehe „Pisa“ – kommt die Gewöhnung an verwahrloste öffentliche Gebäude.

    Wir brauchen kein kreditfinanziertes kommunales Investitionsprogramm.
    Die Kommunen brauchen finanzielle Mittel, über deren Einsatz die Kommunen selbst entscheiden. Damit müssen die negativen Folgen der Finanznot für die Konjunktur und den Zustand der kommunalen Infrastruktur gelindert werden. Programme mit verbilligten Krediten oder einem kommunalen Eigenanteil helfen überhaupt nicht weiter. Eine zusätzliche Kreditaufnahme löst bei Städten, die unter dem Haushaltssicherungskonzept stehen, keine einzige Maßnahme aus –  allenfalls wird die Zinslast verringert. Die bedürftigsten Kommunen können ohnehin keine Kreditermächtigung mehr bekommen. Wir brauchen jetzt kein weiteres geliehenes Geld, sondern eine solide Finanzausstattung der Kommunen!

  • Wir begrüßen die Maßnahme, die nicht abgerufenen Gelder aus dem Fluthilfefonds, den Gemeinden zurückzugeben: Das Geld gehört dem Bund sowieso nicht!
  • Die Übernahme der Kosten für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger durch die Bundesanstalt für Arbeit ab 2004 ist eine Mogelpackung. So führt die gerade erst beschlossene Änderung der Förderpolitik der Bundesanstalt zu einer drastischen Reduzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und berufsbegleitenden Bildungsmaßnahmen in strukturschwachen Städten. Wenn in einer Stadt wie z. B. in Gelsenkirchen derzeit von 808 AB-Maßnahmen nur 14 verbleiben und allein 3700 Personen künftig aus der Arbeitslosenhilfe herausfallen. Dies bedeutet Mehrbelastungen der Städte und Gemeinden in Milliardenhöhe. Die geplanten Kürzungen beim Arbeitslosengeld bergen erhebliche Risiken für die Kommunen durch die dadurch verursachten Anstieg der Sozialhilfekosten.

    An Arbeitswilligen mangelt es in unseren Städten und Gemeinden nicht! Aber zunächst brauchen die Menschen Arbeitplätze! Deshalb fordern wir, dass sich die marktwirtschaftlichen Kräfte in Deutschland wieder entfalten können. Es muss sich wieder lohnen, Leistung zu erbringen und Verantwortung als Unternehmer zu übernehmen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wir fordern eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme und die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dabei muss sicher gestellt sein, dass die Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik und ihre Folgen nach wie vor beim Bund angesiedelt bleibt. Die jetzt geplante Aufspaltung – Verschiebung schlecht vermittelbarer Arbeitslose auf die kommunale Ebene, Belassung nur der übrigen bei der Bundesanstalt für Arbeit – wird rigoros abgelehnt.

Wir brauchen dringend ein echtes Sofortprogramm für die
Menschen in unseren Kommunen!

  1. Rot-Grün hatte mit der Steuerreform 2000 beschlossen, dass die Gemeinden 30 % anstatt vorher 20 % ihres Gewerbesteuer-aufkommens als Umlage an Bund und Länder abtreten müssen. Als Rechtfertigung wurden Wachstumserwartungen bei der Gewerbesteuer durch Konjunkturaufschwung und neue Abschreibungsbedingungen für die Unternehmen angegeben. Die Steuerreform ist total missglückt. Die Konjunktur lahmt unter Rot-Grün. Die Abschreibungsbedingungen wurden nicht wie geplant verändert. Die „Geschäftsgrundlage“ ist weggefallen. Trotzdem nimmt Rot-Grün den Kommunen von den gesunkenen Einnahmen einen steigenden Anteil ab.
  2. In den vergangenen Jahren hat der Bund immer mehr Kosten und staatliche Pflichtaufgaben den Landkreisen, Städten und Gemeinden zugeschoben. Das Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, muss bezahlen“) wurde rücksichtslos umgangen. Ob Kindergeld, Riesterrente, Grundsicherung, Finanzierung der Langzeitarbeitslosigkeit – stets werden die Kommunen ohne hinreichenden finanziellen Ausgleich zur Kasse gebeten. Zu einem föderalen Staatswesen gehört aber ein entsprechendes Finanzierungskonzept. Dabei ist die Verteilungssymmetrie zwischen den Ebenen strikt zu beachten. Es kann nicht sein, dass eine Ebene Lasten auf die anderen verschiebt. Mischfinanzierungen sind abzubauen. Wir fordern die Aufnahme des Konnexitätsprinzips ins Grundgesetz!
  3. Eine umfassende Gemeindefinanzreform muss die im Grundgesetz verankerte finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen gewährleisten, ihre Finanzkraft dauerhaft auf eine solide Grundlage stellen und den Städten und Gemeinden berechenbare und wachstumsfähige Steuerquellen erschließen. Dazu gehört eine dauerhafte Entlastung von Aufgaben und damit Ausgaben. Dabei muss das Interesse der Kommunen an der Ansiedlung von Unternehmen sowie der Schaffung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden. Ein wichtiges Element könnte ein eigenständiges Hebesatzrecht der Kommunen im Ertragssteuerbereich sein.
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