Soziales

Beschluss kommunal 2003: Demographischer Wandel – Für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik

Wie begegnet man der großen Herausforderung des demographischen Wandels auf kommunaler Ebene? In insgesamt sieben Themenfeldern – von der Erkennung neuer Trends und deren Folgen bis zur Unterstützung kommunaler Mandatsträger – hat die KPV auf ihrer Bundesverteterversammlung 2003 Ansätze entwickelt, um auch künftig vorausschauend und am Wohle des Gemeinwesens orientierend agieren zu können.

Bundesvertreterversammlung 2003

Leitantrag: Demographischer Wandel – Für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik  

I.    Trends erkennen – Folgen abschätzen

II.   Kleine Einheiten – soziale Verantwortung stärken

III.  Verstädterung und Entleerung der Flächen gestalten

IV.  Standortqualität zählt im Wettbewerb um Einwohner

V.   Funktionsfähige Gemeinden statt nur "zentrale Orte"

VI.  Demographischer Faktor für die kommunalen Finanzen

VII. Kommunalpolitik aktivieren

VII. Begründung des Beschlusses (Auszug)

Die Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU Deutschlands setzt auf eine zukunftsfähige Kommunalpolitik. Kommunale Selbstverwaltung muss sich immer neuen Herausforderungen stellen, so auch dem demographischen Wandel. Sie kann auch hier in Zukunft Innovationsmotor und Kern aktiver Bürgergesellschaft sein.

Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker der Union wollen sich deshalb vor Ort für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik einsetzen, die sich voraus-schauend am dramatischen demographischen Wandel und sensibel am Wohl des Gemeinwesens und kommender Generationen orientiert.

Wir wollen mit unserem Beschluss – kommunal eine sachorientierte und kompetente Debatte im Bund, den Ländern und vor Ort anstoßen. Dazu wollen wir sieben Leitthesen und Forderungen zur Diskussion stellen:

I. Trends erkennen – Folgen abschätzen

Deutschland steht vor einem dramatischen Bevölkerungswandel, der unausweichlich und realistischerweise nicht ausgeglichen werden kann.
Heute hat Deutschland etwa 82 Millionen Einwohner. Auch bei einer jährlichen Zuwanderung von 100.000 Personen wird die Bevölkerung in 50 Jahren nur noch 65 Millionen stark sein. Der Grund für diese Abnahme liegt – wie in den letzten drei Jahrzehnten – in einer höheren Sterbe- als Geburtenrate. Von der pessimistischen Annahme ausgegangen, verharrt die Geburtenhäufigkeit auch in den nächsten Jahrzehnten auf dem niedrigen Niveau von knapp 1400 Kindern je 1000 Frauen. Das niedrige Geburtenniveau wird bis zum Jahr 2050 dazu führen, dass auf 100 Personen im Erwerbsalter 80 Rentner kommen, während es heute erst 40 sind. Gleichzeitig wird bis zum Jahre 2050 die durchschnittliche Lebenserwartung eines neugeborenen Jungen noch einmal von heute 74,4 auf 78,1 Jahre und die eines neugeborenen Mädchens von 80,5 auf 84,5 Jahre steigen.

Also unstrittig ist: Die Bevölkerung in Deutschland wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmend älter werden und abnehmen. Mit dieser Entwicklung und ihren Auswirkungen müssen sich neben Wirtschaft und Gesellschaft auch unsere Gemeinden, Städte und Kreise beschäftigen. Wir müssen die Herausforderung des demographischen Wandels annehmen und unsere Kommunalpolitik zukunftsfähig ausrichten.

Unabhängig von der Frage, welche bevölkerungspolitischen Maßnahmen ergriffen werden, fordern die Kommunalen der Union grundsätzlich:
 

  • das Instrument der demographischen Folgenabschätzung zu  entwickeln, um bereits heutige Entscheidungen mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung vor Ort sorgsam abzuwägen
  • einen „Demographie-TÜV“, damit bestehende Gesetze und Verordnungen hinsichtlich ihrer Demographie-Tauglichkeit überprüft werden.

II. Kleine Einheiten – soziale Verantwortung stärken

Im echten Sinne von Subsidiarität müssen sich der Staat und die quasi staatlichen Einrichtungen zurücknehmen und einen neuen Freiraum für die Kräfte der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger eröffnen. Eine funktionierende Kommunale Selbstverwaltung kann die größte Kraft in der Gesellschaft entfalten, um bedarfsgerechte Entscheidungen vor Ort zu treffen. In einer älter werdenden Gesellschaft sollten gerade die Kommunen Koordinatoren einer aktiven Bürgergesellschaft (im Sinne unseres Beschlusses von Potsdam 2001) sein. Kommunen sind in Zukunft weniger Anbieter von Leistungen, sondern vielmehr Initiator, Makler, Moderator und Förderer eines Leistungsangebots. Damit kann das große Potential auch und gerade der älteren Bürgerinnen und Bürger für die Gemeinschaft mobilisiert werden.

Deshalb fordern wir grundsätzlich:

  • ein echtes Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz, um das grundlegende Übel der Aufgabenübertragung ohne Finanzzuweisung zu beseitigen
  • eine ehrliche Interessenvertretung der Länder zugunsten derKommunen in der vom Bundestag eingesetzten Föderalismuskommission. Die Kommission darf sich nicht allein mit den Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Ländern beschäftigen, sondern muss die kommunale Ebene deutlich stärken. Wir brauchen jetzt Handlungsspielraum für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen durch den Demographischen Wandel. Reformbedürftig ist auch dieFinanzverfassung und muss deshalb in die Arbeit der Kommission einbezogen werden.
     
  • dass die Daseinsvorsorge nicht in die Zuständigkeit der EU geraten darf. Demokratische legitimierte Kommunale Selbstverwaltung darf auf diesem Wege nicht ausgehöhlt werden.

    III. Verstädterung und Entleerung in der Fläche gestalten

    Wir nehmen die Herausforderung der Veränderung in der Bevölkerungszahl und -struktur gestaltend an. Die Ergebnisse der demographischen Veränderungen sind Folgen der Konzentration in Wachstumsräumen. So unvermeidbar das ist, bleibt es jedoch aus volkswirtschaftlichen und sozialen Gründen dringend geboten, den Prozess raumordnerisch zu begleiten. Eine ungesteuerte Entwicklung mit zunehmender Geschwindigkeit überfordert die aufnehmenden Ballungszentren und verhindert die Anpassung von Räumen mit negativer Bevölkerungsentwicklung.

    Auch in ausgedünnten Räumen müssen funktionierende Strukturen erhalten bleiben. Ein phantasieloses „weiter so“ ist keine Antwort auf neue Herausforderungen. Statt traditioneller Verwaltungsstruktur- und Gebietsreformen ist z. B. die interkommunale Zusammenarbeit auf förmlicher oder informeller Basis gut geeignet, sich flexibel immer neuen Aufgaben zu stellen. Grundvoraus-setzungen demokratischen Lebens in der Kommune wie Übersicht, Kenntnis, Identität bleiben auch unter schwierigen Bedingungen gewahrt.

    Deshalb fordern wir grundsätzlich:

  • eine Neuausrichtung von Raumordnung als Beteiligungs- und Selbstgestaltungselement von Kommunen
  • dass Kommunalverwaltungen ehrenamtliche Kommunalpolitik in die Lage versetzen, demographische Entwicklungen sachgerecht und vorausschauend zu berücksichtigen


IV. Standortqualität zählt im Wettbewerb um Einwohner

Die Gemeinden und Städte werden sich auch im europäischen Kontext dem Wettbewerb um Einwohner stellen. Dabei wird die Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse der entscheidende Faktor sein.

Wer vor Ort in der Lage ist, Lebensqualität zu erzeugen, wird in diesem Wettbewerb bestehen. Lebensqualität für Alt und Jung wird sich vor allem darin ausdrücken, dass Menschen Arbeit und Beschäftigung finden. Dazu gehört auch die Gestaltung des Wohnumfelds.

Raumplanerisch werden sich Kernregionen herausbilden müssen, die in der EU erkennbar und kraftvoll eine dynamische Entwicklung nehmen können. Somit gilt es, in den Wettbewerb um leistungswillige und leistungsfähige Einwohner im europäischen und internationalen Kontext einzutreten.

Bei Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen erfordert dies eine beiderseitige Bereitschaft von der heutigen Wohnbevölkerung genauso wie von den Einwanderern sich aufeinander einzustellen. Vor Ort wird von den Einwanderern eine eindeutige Anpassungsleistung an die grundlegenden Normen und Werte unserer Gesellschaft erwartet. Ein unverbundenes Nebeneinander und Parallelgesellschaften darf es nicht geben. Das Aufeinanderzugehen wollen wir vor Ort fördern und stärker fordern.

Wir setzen auf eine nachhaltige Integration der Menschen, die in unsere Städte, Gemeinden und Kreise eingewandert sind und einwandern. Die kommunal Verantwortlichen der Union stellen sich auf eine dauerhafte hohe Einwanderung ein.

Deshalb fordern wir grundsätzlich:
 

  • Eine familienfreundliche Gesellschaft, in der sich die allgemeinen Lebensbedingungen für Kinder und Familien nachhaltig verbessern. Das gilt sowohl für einen familiengerechten Wohnungsbau als auch für ein familiengerechtes Wohnumfeld und eine an der Familie ausgerichtete Jugendarbeit.
  • Die Einführung des Familiengelds als Baustein für eine familienfreundliche Gesellschaft und weil Kinder nicht in die Sozialhilfe gehören.
  • Eine qualitative Verbesserung und Intensivierung der Integration  für die heute in Deutschland lebenden Zuwanderer. Die Wirtschaft ruft nach dauerhafter Zuwanderung von Arbeitskräften, deshalb muss sie bei der Finanzierung und Durchführung der Integrationsmaßnahmen beteiligt werden.
  • Eine Bundesstiftung Integration, die mit den Kommunen die Integrationsmaßnahmen weiter entwickelt, überprüft und ausbaut, um in einer aktiven Bürgergesellschaft in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Freien Trägern, Kirchen, Vereinen, Verbänden und privaten Initiativen die Integration der Menschen, die in unsere Städte, Kreise und Gemeinden eingewandert sind und einwandern, zu gewährleisten.

V. Funktionsfähige Gemeinden statt nur „zentrale Orte“

Bestehende Wohn- und Gewerbegebiete müssen neu organisiert werden. Heute muss sich Kommunalpolitik um die Entwicklung der bestehenden Quartiere intensiv kümmern. Erst die gesunde Durchmischung der Funktionen Wohnen, Arbeit und Freizeit ermöglicht eine langfristige attraktive Standortbildung, sodass Jung und Alt zusammenleben können. Dies ist auch ökologisch richtig.

Bei der bevorstehenden Reduzierung der Bevölkerung ist die ständige Ausweitung der versiegelten Flächen nicht mehr zu vertreten. Es erscheint volkswirtschaftlich wenig sinnvoll, neue Flächen zur Bebauung auszuweisen, wenn gleichzeitig innerörtliche Bereiche und Innenstädte mit großen Leerständen zu kämpfen haben. Deshalb sollte in erster Linie auf bisher schon versiegelte Flächen zurückgegriffen werden. Es ist zu überlegen, ob bei Neuversiegelung ein entsprechender Rückbau bzw. Entsiegelung von Flächen kompensiert werden kann oder gar muss.

Die Gemeinden und Städte sind aufgefordert, bestehende Planungen zu überprüfen, um bestehende Siedlungsstrukturen zu erhalten, statt ein Ausdünnen und Verelendung ganzer Stadtteile und Landstriche in Kauf zu nehmen. Öffentliche Förderung von räumlicher Entwicklung in Außenbereichen sollte zugunsten einer geschlossenen Siedlungsstruktur verstärkt werden.

Öffentliche Straßen und Personennahverkehr verbinden in einer Region Arbeit, Wohnen, Freizeit. Es ist zu prüfen, ob Anreize geschaffen werden können, die kleinräumigere Gliederungen unterstützen und die Funktionen Arbeit, Wohnen, Freizeit zusammenführen können.

Die Stadt-Umland-Probleme könnten durch diese Zusammenführung entschärft werden. Dienstleistungen und überörtliche Funktionen sind dezentral anzubieten und über neue Medien eine Nutzung vor Ort in Bürgernähe zu ermöglichen.

Deshalb fordern wir grundsätzlich:

  • den Ausbau von dezentralen Arbeitsplätzen und die Entwicklung von Heimarbeitsplätzen, damit auch in demographisch-strukturschwachen Regionen eine Zukunft eröffnet wird,
  • dass Standards modifiziert werden und zwar im Sinne einer Mindestanforderung statt die Beschreibung von optimalen Lösungen zur Schaffung neuen Freiraums,
  • Anreize zur Zusammenführung von Lebensräumen zu entwickeln und zu fördern,
  • eine Überprüfung der Eigenheimzulage im Verhältnis der Förderung zwischen Neubau und Altbau. Ziel muss es bleiben, die Bildung von Wohneigentum auch in Zukunft deutlich zu unterstützen.

VI. Demographischer Faktor für die kommunalen Finanzen

Der Anteil an der Einkommensteuer ist mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung eine stark zurückgehende Einnahmequelle und benachteiligt die Kommunen, die durch Überalterung die größten Lasten zu tragen haben werden. Dies ist bei einer dringend erforderlichen Reform der Einkommensteuer zu beachten.

Umsatzsteueranteile an der Kommunalfinanzierung können eine stabile, einiger-maßen Konjunktur unabhängige Sockelfinanzierung der Kommunen darstellen. Geeignete Schlüssel zur Verteilung auf die Kommunen sind zu entwickeln.

Die Finanzierung der kommunalen Selbstverwaltung muss in Zukunft auf tragfähige Säulen gestellt werden:
 

  • Die Grundeigentümer werden wie bisher von der Grundsteuer erfasst. Per Hebesatz, den der Gemeinde- bzw. Stadtrat beschließt, besteht ein enges Band zwischen Eigentümern und Gemeinde.
  • Die Einwohner finanzieren über den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer schon heute die Gemeinden und Städte. Der jetzige 15%ige Gemeindeanteil an der Einkommensteuer soll ersetzt werden durch ein gemeindeeigenes Hebesatzrecht auf diesen Teil. Damit entstünde eine unmittelbare Verbindung zwischen Einwohnern und Gemeinde.
  • Auch die Wirtschaftenden sollen aufgrund der Inanspruchnahme von Infrastruktur und Dienstleistungen berücksichtigt werden. Die Gewerbesteuer soll durch ein Hebesatzrecht auf den Erfolg der wirtschaftlichen Aktivitäten ersetzt werden. Dies soll betriebsstättenbezogen in Verbindung  mit einer reformierten Einkommens- und Körperschaftssteuerreform geschehen.
  • Über den kommunalen Finanzausgleich sollen unterschiedliche funktionale Belastungen berücksichtigt werden.
  • Die Umsatzsteueranteile sollen für eine stabile, einigermaßen Konjunkturunabhängige Sockelfinanzierung der Kommunen sorgen.
  • Kostenerstattungen für übertragene Aufgaben und Gebühren für Leistungen.

Mischfinanzierungen sind abzubauen und eine konsequente dauerhafte
Aufgabenkritik muss zur Grundlage politischer Entscheidungen werden.

Deshalb fordern wir grundsätzlich:

  • eine Soforthilfe für die Kommunen bereits für 2003, die als Voraussetzung für eine umfassende, auch den demographischen Wandel berücksichtigende Gemeindefinanzreform dient
  • eigene selbstgestaltbare Steuerquellen mit Hebesatzrecht, um das Band zwischen Kommune zu den Grundeigentümern, Wirtschaftenden und den Einwohnern zu gewährleisten
  • die Abschaffung der Grundsicherungsrente, die bereits heute aber, auch gerade in Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung von den Kommunen nicht zu leisten ist

VII. Kommunalpolitik aktivieren

Die kommunalen Mandatsträger sind die politischen Vertreter der Menschen in jeder Gemeinde, in jeder Stadt. Sie sind zuständig für die örtlichen Angelegenheiten und müssen sich auf ihre kommunalpolitische Führungsaufgabe in den Vertretungskörperschaften konzentrieren. Die Mandatsträger brauchen die Unterstützung und Hilfe der Verwaltungen, um die Aufgabe der politischen Steuerung effizient zu erfüllen.

Deshalb fordern wir grundsätzlich:

  • eine vernünftige personelle und materielle Ausstattung der kommunalen Fraktionen und ihre Mitglieder, damit eine optimale Unterstützung und Qualifizierung der Mandatsträger erfolgen kann.
  • dass Fraktionen flächendeckend ausreichende Mittel für die Weiterqualifizierung und Ausbildung der Mandatsträger zur Verfügung gestellt werden. Dort wo dies noch nicht möglich ist, sollen entsprechende Regelungen in die Kommunalverfassungen aufgenommen werden
  • dass sich die Fraktionen vor Ort für neue Mitstreiter öffnen, denn es geht nicht in erster Linie um Junge, sondern um Neue
  • den Aufbau eines Personalnetzwerks von CDU und CSU.

Für eine zukunftsfähige Kommunalpolitik können folgende acht  Maßnahmen konkret vor Ort ergriffen werden:

1. Alterskataster als Informationsvorsprung

Demographietaugliche Entscheidungen sollten auf objektiven Zahlen, Daten und Fakten beruhen. Nur wenn sich die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker fachgerechte Grundlagen zur Beurteilung der demographischen Folgen beschaffen, können zielgerichtete Entscheidungen vor Ort getroffen werden.

2. Demographische Sanierungsgebiete benennen

Die herkömmlichen Instrumente einer gesteuerten Stadt und Gemeindeentwicklung können auf die unausweichliche Herausforderung der Bevölkerungsveränderung angewendet werden. Dazu gehören auch die Möglichkeiten, die durch förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten nach Baugesetzbuch bestehen.

3. Quartiersmanagement – Arbeiten, Wohnen und Freizeit an einem
    Ort

Bestehende Wohn- und Gewerbegebiete können mit Hilfe des Quartiersmanagements neu organisiert werden. Für eine langfristige attraktive Standortbildung können Kräfte in der Kommune gebündelt und neu aufgestellt werden. Eine enge Verzahnung von betroffenen Verwaltungseinheiten (z.B. Wirtschaftsförderung, Planung, Bürgerdienste) kann dazu beitragen, dass Quartiersmanager erfolgreiche Arbeit leisten können.
Frühzeitig sollte die Nutzbarkeit von öffentlich Räumen und Gebäuden hinsichtlich ihrer Umwidmung eingeplant werden (z.B. vom Kindergarten zum Pflegeheim, von Schule zur ambulanten Pflegeeinrichtung, von der Kaserne zum Betreuten-Wohnen).

4. Gebührenexplosion verhindern

Das Volumen des Gebührenhaushalts ist bei Bevölkerungsschrumpfung auf weniger Köpfe zu verteilen. Standards müssen gesenkt, Abschreibungslaufzeiten überprüft, Rücklagen gebildet werden. Unter Umständen ist der Erhaltungsaufwand zu minimieren, um bei Erneuerungsbedarf den Rückbau von Infrastruktur zu ermöglichen.

5. Infrastruktur zum Rückbau vorbereiten

Drohende Wohnungsleerstände werden zu sinkenden Wohnungspreisen führen. Jedoch ziehen Leerstände weitere Nichtbelegungen durch einen negativen kumulativen Prozess nach sich. Eine Verwahrlosung und Nichtinstandsetzung von bisher genutztem Wohnraum kann aber auch zu finanziellen Folgen für die öffentliche Hand führen. Deshalb ist die städtebauliche Option eines Rückbaus von leerstehenden Gebäuden, eine Umwandlung freiwerdender Flächen in Grünanlagen sowie eine weitere Förderung der entsprechenden Maßnahmen durch Bund und Länder anzustreben. Ein „Wiederkehrender Beitrag“ bei der Kalkulation von Gebühren kann den Rückbau von Infrastruktur im Wasser, Abwasser u.ä. finanziell vorbereiten und abfedern.

6. Dezentrale Infrastruktur entwickeln

Nach dem Vorbild der Entwicklung in der EDV und Telekommunikation sind verstärkt in Regionen mit Bevölkerungsschrumpfung dezentrale Lösungen zur Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge (z. B. Bürgerdienste, Abwasser, Trinkwasser) anzustreben. Dazu wäre zu überlegen, inwieweit ebenfalls dezentrale Angebote in anderen Bereichen (z.B. Schule) sinnvoll entwickelt werden können.

7. Zukunftsmärkte erschließen

Bei der Wirtschaftsförderung sollten neue, der Bevölkerungsentwicklung entsprechende, absehbare Märkte gefördert werden. Dem Freizeit- und Gesundheitsbereich wird eine größere Bedeutung zu kommen. Bei der zukünftigen kommunalen Profilierung wird ebenfalls die Schaffung der familienfreundlichen Gemeinde oder Stadt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Bei Planungsprozessen sollte die Verbesserung der Verträglichkeit von Familie und Beruf eine deutliche Priorität haben. Neue technische Möglichkeiten wie sog. „Inhouse-Systeme“, also Gebäude mit eigener Wasser- und Energieversorgung, die eine externe Versorgung überflüssig machen, bieten ebenfalls neue Märkte.

8. Kommunalverwaltungen umbauen

In diesem Zusammenhang kann die Dezentralisierung von Bürgerämtern sinnvoll sein. Die Verwaltungen selbst müssen eine verstärkte Vernetzung von Gemeinden anstreben, was eine erhebliche Reduzierung von Verwaltungen und Mitarbeitern nach sich ziehen muss. Die Verwaltungen müssen sich des Ziels annehmen, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit alternder Belegschaften durch berufsbegleitende Bildungsprogramme zu erhöhen.

VII. Begründung des Beschlusses (Auszug):

Die Enquete-Kommission "Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik" des Deutschen Bundestages hatte die Folgen des demographischen Wandels für verschiedene Bereiche der Gesellschaft zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für die Politik zu entwickeln. Der vorliegende Schlussbericht der Enquetekommission "Demographischer Wandel" analysiert und bewertet die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen anhand von fünf Themenbereichen. Diese sind: das Verhältnis der Generationen, Arbeit und Wirtschaft, Zuwanderung und die Integration der Zugewanderten, die Alterssicherung sowie die Bereiche Gesundheit, Pflege und soziale Dienste.

Keine Frage: Der demographische Wandel in der Bundesrepublik Deutschland wird zu gravierenden Änderungen in allen Bereichen führen müssen. Es wird aber keine Katastrophe geben, wenn jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Dies kann nur geschehen, wenn es den Politikern zusammen mit den Wissenschaftlern gelingt, in den genannten Politikfeldern zu einem vernetzten politischen Handeln zu kommen, denn alle Bereiche bedingen einander.

Das soziale, ökonomische und politische Fundament unserer Gesellschaft ist aber bedroht, wenn das Phänomen des demographischen Wandels nicht stärker bei der Konzeptionalisierung des politischen Prozesses auf allen Ebenen beachtet wird. Bekanntermaßen werden sich durch diese Entwicklung die Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt, die Bildung, soziale Sicherung, Einwanderung und die Staatsverschuldung verschlechtern und die Funktionsfähigkeit des ganzen Staates und der sozialen Sicherungssysteme in Frage gestellt.

Trotz der heutigen katastrophalen Lage der kommunalen Haushalte kommen unweigerlich und unausweichlich die Herausforderungen des demographischen Wandels auf die Städte und Gemeinden zu. Die Veränderungen der demographischen Strukturen zeichnen sich schon seit längerem ab und die relevanten empirischen Daten liegen längst vor:

Bevölkerungsrückgang

Nach der neuesten – 10. koordinierten – Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland erheblich verschieben: Im Jahr 2050 wird die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre und ein Drittel 60 Jahre oder älter sein.

Die Einwohnerzahl in Deutschland wird – selbst bei den angenommenen Zuwanderungssalden aus dem Ausland – langfristig deutlich abnehmen.

Zu einem langfristigen Bevölkerungsrückgang kommt es, weil in Deutschland – wie schon seit 30 Jahren – auch in den nächsten fünf Jahrzehnten stets mehr Menschen sterben werden, als Kinder zur Welt kommen. Wegen des zu unterstellenden anhaltend geringen Geburtenniveaus wird die heutige jährliche Geburtenzahl von ca. 730 000 auf etwa 560 000 im Jahr 2050 sinken und dann nur noch halb so hoch sein wie die Zahl der jährlich Gestorbenen, das "Geburtendefizit" wird etwa
580. 000 betragen (2001: 94 000).

Die sinkenden Geburtenzahlen folgen auch aus der von Generation zu Generation sinkenden Anzahl junger Frauen: Bei einer Geburtenhäufigkeit von durchschnittlich 1,4 Kindern pro Frau werden die heutigen etwa 30-jährigen Frauen bis zum Ende ihres geburtenfähigen Alters (49 Jahre) weit weniger Kinder zur Welt bringen, als es für den zahlenmäßigen Ersatz ihrer Generation erforderlich wäre (das Bestandserhaltungsniveau liegt bei 2,1 Kindern pro Frau). Die jetzt geborenen Mädchenjahrgänge sind also zahlenmäßig kleiner als die ihrer Mütter. Sind diese Mädchen einmal erwachsen und haben ebenfalls durchschnittlich 1,4 Kinder, wird die künftige Kinderzahl weiter sinken, weil dann auch weniger potenzielle Mütter leben. Die Zahl der Frauen im geburtenfähigen Alter (von 15 bis 49 Jahren) nimmt von 20 Millionen im Jahr 2001 auf 14 Millionen im Jahr 2050 ab. Ihr Anteil an der Bevölkerung insgesamt sinkt ebenfalls, und zwar von 24% auf 19%.

Das niedrige Geburtenniveau wird dazu führen, dass die jüngeren Altersjahrgänge (bis etwa zum 50. Lebensjahr) generell schwächer besetzt sind als die älteren. Die Zahl der unter 20-Jährigen wird von aktuell 17 Millionen (21% der Bevölkerung) auf 12 Millionen im Jahr 2050 (16%) zurückgehen. Die Gruppe der mindestens 60-Jährigen wird mehr als doppelt so groß sein (28 Millionen bzw. 37%). 80 Jahre oder älter werden im Jahr 2050 9,1 Millionen Personen und damit 12% der Bevölkerung sein (2001: 3,2 Millionen bzw. 3,9%).

Alterung der Gesellschaft

Der sogenannte Altenquotient zeigt die zu erwartenden Verschiebungen im Altersaufbau besonders deutlich: Für das derzeitige tatsächliche durchschnittliche Rentenzugangsalter von 60 Jahren lag er 2001 bei 44, d.h. 100 Menschen im Erwerbsalter (von 20 bis 59 Jahren) standen 44 Personen im Rentenalter (ab 60 Jahren) gegenüber. Nach der "mittleren Variante" der Vorausberechnung wird der Altenquotient bis 2050 bis auf 78 steigen. Würden die Menschen nicht mit 60, sondern erst mit 65 Jahren in den Ruhestand wechseln, ergäbe sich ein deutlich niedrigerer Altenquotient: Für 2050 wäre ein Quotient von 55 gegenüber 78 bei dem Rentenzugangsalter von 60 Jahren zu erwarten.

Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird nicht erst in 50 Jahren zu Problemen führen, sondern bereits in den nächsten beiden Jahrzehnten eine Herausforderung darstellen. Der Altenquotient zeigt die kritische Beschleunigung der Alterung zwischen 2010 und 2030. Von 2001 bis 2010 erhöht sich der Altenquotient in der Abgrenzung bei 60 Jahren "nur" von 44 auf 46, steigt dann bis 2020 deutlich auf 55 an und nimmt bis 2030 sprunghaft auf 71 zu. Danach fallen die Zunahmen nicht mehr so stark aus (2040: 73 und 2050: 78). Eine schlagartige Erhöhung des Altenquotienten zwischen 2020 und 2030 käme auch bei einem tatsächlichen Rentenzugangsalter von 65 Jahren zum Tragen: Der Altenquotient für 65 Jahre steigt in diesen zehn Jahren von 36 auf 47 und damit mindestens doppelt so schnell wie in den Jahrzehnten davor.

Die Altersstruktur der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, welche hier entsprechend dem Altenquotienten für 65 Jahre mit 20 und 64 Jahren abgegrenzt wird, wird insbesondere um das Jahr 2020 von der älteren Generation der 50- bis 64-Jährigen dominiert: mit 19,5 Millionen Menschen wird diese Altersgruppe im Jahr 2020 39% des Arbeitskräftepotenzials stellen. Zurzeit ist die Generation der 35- bis 49-Jährigen mit 20 Millionen (38%) die stärkste; sie nimmt bis zum Jahr 2020 auf 16 Millionen ab.

Binnenwanderung

In diesem Zusammenhang ist es ebenso notwendig, die erwarteten Binnen-wanderungsbewegungen in Deutschland in den nächsten 50 Jahren zu berücksichtigen, weil sich durch diese die lokalen Bevölkerungs-zusammensetzungen auch bei anderen Variablen wie Einkommen oder Bildung verschieben werden  und große Zentren sowie ganze Landstriche in den Neuen Bundesländern  wegen der Abwanderungsbewegungen an Attraktivität und Finanzkraft verlieren werden.  Die Verschiebung der Altersstruktur und die damit einhergehenden erheblichen Probleme können durch Zuwanderung nur gemildert, aber keinesfalls völlig behoben werden. Eine astronomische Zuwanderungszahl von jährlich 5 Millionen Menschen wäre zum Beispiel notwendig, um das heutige Rentensystem beihalten zu können! Eine solche Menge an Einwanderern kann allerdings keine Gesellschaft verkraften, auch wenn sie eine hohe Integrationsbereitschaft aufweist.

Zuwanderung

Ende 2002 leben in Deutschland rund 7,35 Millionen Ausländer. Gegenüber Ende 1989 hat sich damit ihre Zahl um 2,35 Millionen erhöht. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg im gleichen Zeitraum von 6,4 auf 8,9 Prozent.
Die Kommunen kümmern sich seit langem mit großem Aufwand um die Integration der Zuwanderer auf vielen Gebieten der Kommunalpolitik, beispielsweise in den Schulen, Kindergärten, in der Stadtentwicklung, der Stadtteilarbeit auch mit Sport- und Kulturvereinen und Initiativen, im Bereich Sprache und Bildung. All das um eine Teilhabe der Zuwanderer am allgemeinen sozialen System und gesellschaftlichen Leben vor Ort zu ermöglichen und zu fördern. Wir geben den Menschen Heimat.

Dies erfordert eine beiderseitige Bereitschaft sich aufeinander einzustellen. Vor Ort wird von den Einwanderern eine eindeutige Anpassungsleistung an die grundlegenden Normen und Werte unserer Gesellschaft erwartet. Ein unverbundenes Nebeneinander darf es nicht geben. Das Aufeinanderzugehen wollen wir vor Ort fördern und stärker fordern.

Exkurs:

Die kommunale Politik braucht bessere finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen und mehr Freiraum für eine aktive Integrationspolitik.

Kommunale Integrationspolitik baut auf vier Säulen: 

Sprechen und verstehen
     
Die Menschen in der Nachbarschaft, dem Stadtteil, der Kommune müssen sich in deutscher Sprache miteinander verständigen können. Wir brauchen Programme zum Spracherwerb und zur Sprachförderung. Die Bundesregierung muss für jeden Einwanderer ein persönliches Budget ermitteln. Aufgrund von Sprachtests müssen gemeinsam Umfang und Art des Sprachunterrichts vereinbart werden. Mindestanforderungen müssen über Testverfahren sichergestellt werden. Aufenthalts- und Bleiberechte müssen in Zukunft an die Bereitschaft zum Spracherwerb gekoppelt sein. Kinderbetreuung und schulische bzw. berufliche Aus- und Weiterbildung müssen darauf ein erhöhtes Augenmerk richten.

Leben und teilnehmen

Einwanderer müssen sich gesellschaftspolitisch orientieren können. Moderner Spracherwerb ist mit einer Landeskunde verbunden. Grundlegende Werte und Normen der örtlichen Gemeinschaft können so vermittelt werden. Mitwirkungs-, Informations- und Teilhabemöglichkeiten können nur so erkannt und eröffnet werden.

Arbeiten und qualifizieren

Einwanderer benötigen Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung und Weiterentwicklung. Dies gilt nicht nur für die Arbeitnehmer, die von Unternehmen angeworben und später u. U. freigesetzt werden, sondern auch für Familien-mitglieder, denen ebenfalls möglicherweise eine berufliche Entwicklung ermöglicht werden kann.

Helfen und beraten
 
Diese 3 Säulen zusammen machen eine individuelle Beratung und Begleitung notwendig. In Verträgen zwischen jedem einzelnen Einwanderer und den staatlichen Ebenen können verbindlich Ziele und Maßnahmen der Integration, Förderanreize und Sanktionen vereinbart werden. Persönliche in erster Linie ehrenamtliche Lotsen können das Zusammenwachsen vor Ort verstärken. Diese Beratung beginnt bereits mit der Wahl der Wohnung, um eine räumliche Ballung bestimmter Gruppen vorzubeugen. Mit Stadtentwicklungskonzepten ist dies nicht zu regeln.

Regionale Unterschiedlichkeit

Die demographische Entwicklung ist als regionale und lokale Herausforderung zu erkennen. Die gesamtdeutschen Entwicklungen dürfen nicht unbesehen auf alle Regionen, Städte und Gemeinden übertragen werden. Vielmehr entwickeln sich die Kommunen unterschiedlich, einige werden an Bevölkerung gewinnen, andere dramatisch verlieren. Es gibt Berechnungen, nach denen im Zeitraum von 1998 bis 2005 z.B. NRW eine Zunahme von 31.000 Einwohnern zu erwarten habe, im gleichen Zeitraum das Ruhrgebiet jedoch 133.000 Menschen verliere. Die Veränderung der Bevölkerung in einzelnen Kommunen des Ruhrgebietes soll von 1998 bis 2015 zwischen -13,67 % und +1,95% variieren. Noch stärker schwanken diese Zahlen, unterteilt man sie in die einzelnen Altersjahrgänge. Die Altersstruktur der Bevölkerung wird sich von Kommunen zu Kommunen erheblich unterscheiden. Die Entwicklungen auf regionaler und lokaler Ebene müssen deshalb stärker ins Rampenlicht rücken.

Die Bevölkerungsentwicklung in Dresden zeigt beispielhaft die regionale Unterschiedlichkeit: Ende 2002 hatte Dresden 474.730 Einwohner, 1 800 mehr als zum Jahresbeginn. Der Hauptteil des Zugewinns resultiert aus der Umzugsbeihilfe der Stadt für Studenten, die erstmals den Hauptwohnsitz anmelden.

Dresden ist neben Potsdam und zuletzt auch Leipzig eine Großstadt im Osten mit Bevölkerungszuwachs. Stark zugenommen hat 2002 die Zahl der Ausländer, ihr Anteil liegt mit 3,4 % trotzdem deutlich niedriger als in west- und süddeutschen Großstädten (durchschnittlich 15 %). Die Zahl der Geburten war nach dem Tief von 1994 (2 396) wieder deutlich angewachsen (2002: 4 179), so dass der Sterbefallüberschuss durch Zuzüge kompensiert werden konnte. Die Geburtenquote hat sich bei 1,3 Kindern pro Frau eingependelt, nahe dem gesamtdeutschen Niveau.

Der Lebensbaum Dresdens weist die für Ostdeutschland typische Form auf: Starke Einschnitte gibt es bei den 53- bis 56-Jährigen (Nachkriegszeit), den 26- bis 29-Jährigen (Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs 1972) und den 6- bis 10-Jährigen (Geburtentief nach der „Wende”). Die Altersstruktur ist in den Stadtteilen recht unterschiedlich. Starker Überalterung im 26-er Ring (Altstädter Seite) stehen mit der Äußeren Neustadt, dem Hechtviertel, Pieschen-Süd, aber auch Striesen-Ost „junge” Quartiere gegenüber. Diese weisen auch den höchsten Anteil von Neubezügen auf.

Regional unterschiedlich verteilt wird für das Jahr 2009 ein Rückgang der Schülerzahlen um 1,2 Millionen auf 11,5 Millionen Schüler erwartet. Bei der Bereitstellung von Schulräumen müssen sich die Kommunen auf ihre Schülerzahlen einstellen. Örtlich wird es auch in Zukunft Bedarf an neuen Gebäuden für Schulen geben, denn trotz eines generellen Schülerrückgangs kann an Einzelstandorten durch Wohnungsneubauten die Zahl an Kindern und Jugendlichen noch anwachsen.

Dies gilt für den Bedarf an Kindereinrichtungen wie Tagesstätten mit Krippen, Kindergarten und Horten. Infolge eines zu beobachtenden Wandels von gesellschaftlichen Einstellungen und Familienformen ist ferner davon auszugehen, dass der Druck, in Städten und größeren Gemeinden Westdeutschlands Betreuungseinrichtungen für Kinder von 0 bis 3 Jahren zu bauen, noch erheblich steigen, die Nachfrage nach Krippenplätzen allerdings permanent schwanken wird. Diese Einrichtungen können den strengen Auflagen (z.B. Sanitär-, Küchen- und Ruheräume) in der Regel nicht in bestehende Gebäude ohne größere Umbaumaßnahmen integriert werden. Gleichzeitig ist mit einem deutlichen Abbau von Kindergartenplätzen und Schließung von Gruppen in jeder Kommune zu rechnen.

Akzeptanz und Problembewusstsein

Vor dem Hintergrund einer regionalisierten Bevölkerungsprognose in NRW 1998-2015 des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) wurde beispielsweise eine Befragung bei kreisfreien Städten und Kreisen durchgeführt. Nach Meinung der Stadt- und Kreisverwaltungen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, beschäftigen sich Politik und Verwaltung fast gleichermaßen mit dem Bevölkerungsrückgang. Allerdings ist das Problembewusstsein hinsichtlich der Folgen des Bevölkerungsrückgangs noch ziemlich unterschiedlich und eher geprägt von den unmittelbar zu erwartenden finanziellen Auswirkungen. Nur in Ausnahmefällen wird das Thema in den Kommunen bislang öffentlich behandelt.

In vielen Städten und Kreisen liegen heute Arbeiten zum Bevölkerungsrückgang vor. Es handelt sich dabei z. B. um Bevölkerungsberichte, Stadterneuerungs-konzepte, Wohnungsmarktanalysen, Infrastrukturbedarfsberechnungen. In den meisten Fällen enthalten sie auch Vorschläge, wie die kommunale Politik auf die Bevölkerungsentwicklung reagieren sollte, welche jedoch meist noch einer weiteren Ausarbeitung bedürfen.
 

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