Ein Dienst für Land und Menschen
Die CDU Deutschlands arbeitet an der Aktualisierung Ihres Grundsatzprogrammes. Während der „ZuhörTour“ der CDU-Generalsekretärin, Annegret Kramp-Karrenbauer, haben die Teilnehmer auch immer wieder über eine allgemeine Dienstpflicht, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Stärkung des Bundesfreiwilligendienstes debattiert. Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) begrüßt das. Die KPV setzt sich dafür ein, den Gemeinsinn durch einen Dienst für die Gesellschaft zu stärken und rückt dabei die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung des Einzelnen wieder in den Mittelpunkt.
Seitdem die Wehrpflicht offiziell ausgesetzt ist, hat sich die Erde aber trotzdem weitergedreht und wir stehen geänderten Rahmenbedingungen sowohl in Sachen Sicherheitslage als auch Umwelteinflüssen gegenüber. Wir müssen erkennen, dass Terrorismus eine latente Bedrohung auch im Inneren darstellt. Wenn es um Bedrohung von außen geht, haben wir uns auch unseren Bündnispartnern verpflichtet. Diese haben zu Recht Erwartungen an unsere Bundeswehr. Jedoch ist die vorgesehene automatische Wiederbelebung der Wehrpflicht im Verteidigungsfall nur dann realisierbar, wenn die Ausbildungskapazitäten, sprich Personal, Material und Kasernen, massiv ausgeweitet werden und eine flächendeckende Struktur zur Wehr- und Zivildiensterfassung vorhanden ist. Im Mittelpunkt steht aber zu nächst der aktuelle Sicherheitsauftrag der Bundeswehr.
Weniger Kompetenz bei mehr Gefahr
Aber es geht über das Militärische hinaus, warum wir uns Gedanken über einen Dienst für unser Land machen sollten: Unsere haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte sind in Not- und Gefahrensituationen sowie Extremwetterlagen gefordert. Diese mehren sich, trotzdem sind immer weniger Menschen im Bereich Zivil- und Katastrophenschutz ausgebildet und nehmen an Kursen zum Erlernen „Erster Hilfe“ teil. Es steht fest: Rettungskräfte, Feuerwehr und THW brauchen langfristig gut ausgebildete und motivierte Helfer.
Deshalb wollen wir im Dialog mit möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen prüfen, ob im Rahmen einer „Allgemeinen Dienstpflicht“ ein verbindlicher Grunddienst für junge Erwachsene mit dem Schwerpunkt Zivil- und Katastrophenschutz aufgebaut werden kann. Daran schließt sich eine Zeit im gesellschaftlichen Bereich an. Obwohl wir selbstverständlich den sozialen Bereich mit einbeziehen, wollen wir aber betonen, dass ein Dienst hier keinesfalls als Ersatz für die dringend notwendigen Pflegekräfte anzusehen ist.
Verbindliches Band zwischen Gesellschaft dem Einzelnen
Es geht uns um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und die Erfahrung jedes Einzelnen für die Gemeinschaft gleichermaßen gebraucht und wertvoll zu sein. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht und dem Wegfall des Zivildienstes fehlt ein verbindliches Band zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen. Jeder sollte unseres Erachtens die Erfahrung machen, dass nicht nur Bürgerrechte, sondern auch Bürgerpflichten bestehen, ohne die unserer Gesellschaft auseinanderdriftet. Jeder möge sich fragen, was er der Gemeinschaft geben kann oder wie er in der Lage wäre, anderen zu helfen und sie zu schützen.
Wir sind der Auffassung, dass Versäumnisse in Erziehung und Bildung junger Menschen nicht durch eine Zeit des Dienstes an der Gemeinschaft kompensiert werden können. Es bedarf größerer Achtung und eines Heranführens an der Übernahme von Aufgaben für die Gemeinschaft. Und es bedarf einer besseren Kultur der Anerkennung und der positiven Verstärkung. Unabhängig davon, ob ein Allgemeiner Dienst verpflichtend oder auf Freiwilligkeit beruht, müssten attraktive Angebote geschaffen werden, die für die persönliche Entwicklung und die Gemeinschaft von großem Nutzen sind.
Breit angelegte Debatte
Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Verantwortungsbereitschaft stärken. Wir wollen, dass die Menschen auf die Bewältigung von Natur- und Notsituationen bis hin zu Bedrohungen des Friedens besser vorbereitet sind. Wir wollen mit den zuständigen Verbänden und betroffenen Organisationen die Frage erörtern, ob eine allgemeine Dienstpflicht unter Umständen auch nur begrenzt auf den Zivil- und Katastrophenschutz oder eine allgemeine Wehrpflicht geeignete Instrumente sind.Ein Engagement und die positiven Erfahrungen im Dienst an der Gemeinschaft können die örtliche Bindung und den Zusammenhalt vor Ort in der Gemeinde, im Stadtteil oder der Region deutlich stärken. Ein Dienst an der Gemeinschaft kann bei der Persönlichkeitsentwicklung und der Berufsorientierung helfen und kann neue Perspektiven und eine positive Lebensstruktur insbesondere für arbeitsmarktferne junge Erwachsene schaffen.
Grundgesetzänderung & Co.
Wollten wir eine „Allgemeine Dienstpflicht“ in Deutschland einführen, würde es eines neuen gesamtgesellschaftlichen Konsenses und der Änderung des Grundgesetzes bedürfen. Eine „Allgemeine Dienstpflicht“ müsste grundsätzlich alle Männer und Frauen einer Altersgruppe gleichermaßen zeitlich begrenzt erfassen. Zurzeit wären das circa 700 000 Personen eines Jahrgangs.
Einer Dienstpflicht müsste ein entsprechendes Angebot von Dienststellen entgegenstehen, die größtenteils nah am jeweiligen Wohnort angesiedelt sein müssten. Denn das sind alles Faktoren, die die finanzielle Planung in Sachen Unterbringung, Verpflegung, Reisekosten und Sold beeinflussen.
Passgenaue Angebote und Anreize
Eine Grunddienstleistung zum Einstieg eröffnet die Möglichkeit den jungen Menschen passgenaue Angebote zu unterbreiten. Wir wollen alle Dienste attraktiv gestalten: Dies könnte gelingen durch eine bessere auch finanzielle Anerkennung, die Entwicklung von Bonussystemen für Fortbildung, Studium und Arbeit, durch Wartezeitverkürzung beim Studium, höhere BAFöG-Leistungen oder zusätzliche freie Tage bei berufsbegleitenden Angeboten. Die Dienste könnten um intensivere Berufsorientierungsangebote erweitert und zu einer besseren Anerkennung in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung führen.
Unser Vorschlag
Im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht, bezogen auf Zivil- und Katastrophenschutz, könnten junge Erwachsene wohnortnah eine 3-monatige Grundausbildung in Maßnahmen des Zivil- und Katastrophenschutzes, des Eigenschutzes, der Lebensrettung beziehungsweise der Ersten Hilfe, über Rechte- und Pflichten des Bürgers im Verteidigungs- und Katastrophenfall absolvieren.
Daran könnten sich entweder eine selbständige weitere Verpflichtung bei Feuerwehr, THW, Zivilschutz, Rettungswesen, Bundeswehr und wiederkehrende Übungen des Katastrophenschutzes in einem Zeitraum von 10 Jahren im Umfang von mindestens 12 Monaten anschließen. So können junge Menschen auch neben einer Ausbildung oder einem Studium beziehungsweise einer beruflichen Tätigkeit ihrer Verpflichtung nachkommen.
ODER
Junge Erwachsene nehmen im Anschluss eine Tätigkeit im Rahmen eines gestärkten Bundesfreiwilligendienstes oder eines weiteren gesetzlichen Freiwilligendienstes im Umfang von mindestens 12 Monaten auf. Junge Menschen können sich selbst aus einem zertifizierten Angebot eine Aufgabe auswählen, ob aus dem sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich oder in der Entwicklungszusammenarbeit.
Ausblick
Die KPV wird auf ihrer Bundesvertreterversammlung in Koblenz im November dazu einen entsprechenden Antrag erarbeiten und in die innerparteiliche Debatte von CDU und CSU einbringen. Ein erster Entwurf wurde bereits im September vom Bundesvorstand und Hauptausschuss diskutiert. Bei der Sitzung waren auch Frau Kramp-Karrenbauer und der Bundesgesundheitsminister anwesend. Die Generalsekretärin betonte, dass es wichtig sei ergebnisoffen und lebendig zu diskutieren. Jens Spahn hat kurz darauf auch in diesem Feld die Initiative ergriffen und 18 Sozialverbände zu einem Meinungsaustausch eingeladen. Das zeigt uns, dass wir mit unseren Vorschlägen sprichwörtlich „ins Schwarze“ getroffen haben.
Hintergrund
Bundesfreiwilligendienst
Der BFD steht bisher allen Generationen offen und umfasste im Juni 2018 rund 40 000 Personen. Rund ein Drittel der Freiwilligen beendet vorzeitig den Dienst. Oftmals da Studienvorhaben dann doch früher realisiert werden können oder ein besser bezahlter (Aushilfs-) Job das Rennen gegen den Freiwilligendienst macht. Die Freiwilligendienste Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologische Jahr (FÖJ) richten sich an die 15-27-Jährigen. In einem Bericht (2011) der Bundeszentrale für Politische Bildung mit dem Titel „Freiwilligendienste und ihre Wirkung – vom Nutzen des Engagements“ heißt es: „Im Vergleich zur Wohnbevölkerung in Deutschland haben Freiwillige überproportional oft das Abitur oder eine andere Hochschulzugangsberechtigung erworben, stammen überproportional oft aus höheren sozialen Schichten mit gutem materiellen Lebensstandard, haben häufiger die deutsche Staatsangehörigkeit, kommen (im Fall „Weltwärts“, A.d.R.: ein Programm zur Unterstützung der Entwicklungszusammenarbeit) häufiger aus den westdeutschen Bundesländern und sind häufiger weiblich. Das heißt im Umkehrschluss: Ehemalige Haupt- und Realschüler, Jugendliche aus niedrigeren sozialen Milieus, Jugendliche mit Migrationshintergrund, Ostdeutsche und Männer sind unterrepräsentiert. Letzteres lässt sich noch teilweise erklären mit der Wehrpflicht, die zum Zeitpunkt aller zitierten Erhebungen noch in Kraft war und vielen Männern den Zivil- oder Wehrdienst als Pflichtdienst bescherte.“ Wir sollten uns diese Ergebnisse zu Nutze machen und darauf achten, möglichst alle Menschen mit einzubeziehen damit die Gesellschaft unseres Landes angemessen repräsentiert wird.
Autor: Christian Haase MdB ist der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands und der AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Der Beitrag erscheint in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO)