Kommunale Verfassungsbeschwerde in NRW erfolglos
Das landesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip in NRW verpflichtete den Landesgesetzgeber nicht, im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 29. Juni 2011 (BGBl. I S. 1306) einen Ausgleich finanzieller Mehrbelastungen der zuständigen Kreise und kreisfreien Städte durch das Land zu regeln. Dies hat der Verfassungsgerichtshof NRW jetzt entschieden.
Damit wurde die Verfassungsbeschwerde von elf Städten (Aachen, Bielefeld, Dortmund, Gelsenkirchen, Hamm, Köln, Krefeld, Leverkusen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und Wuppertal) und drei Kreisen (Hochsauerlandkreis, Kreis Soest und Märkischer Kreis) zurückgewiesen.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsidentin Dr. Brandts hierzu u. a. aus:
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die Beschwerdeführer machten geltend, der Landesnormgeber sei einer Regelungspflicht nicht nachgekommen, die ihm die Verfassung zum Schutz der finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung auferlegt habe. Ein derartiges Unterlassen sei angesichts des Fehlens anderweitiger Rechtsschutzmöglichkeiten mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde angreifbar. An seiner bisher gegenteiligen Rechtsprechung halte der Verfassungsgerichtshof nicht mehr fest.
Die Verfassungsbeschwerde sei jedoch nicht begründet. Das landesverfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip (Art. 78 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen) verpflichte den Landesgesetzgeber bzw. –verordnungsgeber bei der Übertragung neuer oder der Veränderung bestehender kommunaler Aufgaben, gleichzeitig einen finanziellen Ausgleich für die entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Ausgaben zu schaffen. Ebenso wie die erstmalige Aufgabenübertragung löse auch eine Veränderung bestehender, den Kommunen bereits landesgesetzlich zugewiesener Aufgaben aber nur dann eine Ausgleichspflicht aus, wenn sie durch ein Landesgesetz oder eine Landesrechtsverordnung unmittelbar verursacht worden sei. Dies sei bei einer Aufgabenänderung durch den im betroffenen Sachbereich zuständigen Bundesgesetzgeber nicht der Fall, wenn sich der Beitrag des Landesgesetzgebers auf eine vorausgegangene allgemeine Zuständigkeitszuweisung an die Kommunen beschränke, bei der die in Rede stehende Aufgabenänderung noch nicht absehbar gewesen sei. Dass die Kommunen aufgrund der landesgesetzlichen Zuständigkeitszuweisung zur Ausführung der Aufgabe im nachträglich erweiterten Umfang verpflichtet seien, ändere daran nichts.
Zwar werde damit bei Aufgabenänderungen durch Bundesrecht der wesentliche Zweck des Konnexitätsprinzips, die Kommunen vor zusätzlichen und erweiterten Aufgaben ohne gleichzeitigen Kostenausgleich zu schützen, häufig nicht erreicht. Diese Schutzlücke sei jedoch durch die derzeitige Ausgestaltung der landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelung und des ergänzenden Konnexitätsausführungsgesetzes bedingt. Sie könne nur durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geschlossen werden.
Nach diesen Maßstäben bestehe hier keine Pflicht zur Regelung eines Kostenausgleichs. Auf die Frage, ob das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 29. Juni 2011 eine kostensteigernde Veränderung der betroffenen Aufgaben der Jugendhilfe zur Folge habe, komme es nicht an. Die Aufgaben nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz seien bereits Ende des Jahres 2008 durch Landesgesetz auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen worden. Die von den Beschwerdeführern angeführte Aufgabenveränderung durch erhöhte Standards in der Amtsvormundschaft und -pflegschaft beruhe auf einem Bundesgesetz. Im Zusammenhang mit dessen Inkrafttreten sei der Landesgesetzgeber nicht (erneut) tätig geworden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer werde eine Ausgleichspflicht des Landes auch nicht durch das Unterlassen einer Änderung der bestehenden Zuständigkeitszuweisung an die Kreise und kreisfreien Städte ausgelöst.
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