Kultur

Kulturpolitischer Standpunkt der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands

Kulturpolitik gibt der Gemeinde ihr Gesicht, wirkt gemeinschaftsbildend und ist ein wichtiger Standortfaktor. Die KPV schätzt die Arbeit der Kommunen, die vielfach durch ehrenamtliches Engagement aufrecht erhalten oder bereichert wird. In ihrem Beschluss vom 18. März 2005 legen Bundesvorstand und Hauptausschuss der KPV ihren kulturpolitischen Standpunkt detailliert dar.

Beschluss des Bundesvorstandes und des Hauptausschusses
vom 18. März 2005 in Berlin


Deutschland – Kulturnation mit dem Grundpfeiler kommunale Kultur
Kulturpolitik in den Städten und Gemeinden ist das Spiegelbild einer demokratisch verfassten, sozialen und freien Gesellschaft, deren Entwicklungspotentiale im Dialog zwischen den gewählten Vertretern der Bürgerschaft und der sie tragenden Bürgergesellschaft liegen. Kultur ist die Grundressource der Kommune, Basis für das Zusammenleben und Gütesiegel für die Lebens- und Standortqualität. Das kulturelle Profil der Kommunen wird geprägt durch die besonderen örtlichen Gegebenheiten und die kulturellen Interessen der Bürger.

Kultur in Stadt und Gemeinde ist in drei zentrale Staatsparadigmen eingebunden – Kulturstaat, Sozialstaat und Rechtsstaat. Der Kulturstaat wird auf kommunaler Ebene durch die Präsenz der eigenen Stadt-, Gemeinde- und Regionalgeschichte, die ästhetische Einzigartigkeit und die lokal verwurzelte kulturelle Identität dokumentiert. Der Sozialstaat spiegelt sich in interkulturellen Projekten und Integrationsmaßnahmen wider. Lokale Demokratie und Partizipation sind die kommunalen Ausprägungen unseres Rechtsstaats.

Das kulturelle Leitbild als Standort- und Zielbestimmung
Demographische Entwicklung, Integrationsaufgaben, die grundlegende Bedeutung der Kultur für alle Lebensbereiche der Kommune und die Hinkehr zu einer stärkeren Bürgerverantwortung erfordern die Entwicklung und Aktualisierung kulturpolitischer Leitbilder für die Kommunen.

Kommunale Kulturpolitik muss Schwerpunkte setzen. Es war und wird auch in Zukunft nicht das Leitbild öffentlicher Kulturpolitik sein, das gesamte Spektrum kultureller Angebote an jedem Ort in Deutschland zu ermöglichen. Kostenintensive Einrichtungen der kulturellen Infrastruktur sollten in Zukunft noch stärker als bisher in Kooperation und gemeinsamen Trägerschaften betrieben werden, damit den Bürgern trotz der Krise der öffentlichen Haushalte ein attraktives kulturelles Angebot erhalten bleibt. Ein wichtiges Instrumentarium kann hierbei z. B. in Form von Vereinbarungen auch die Finanzierung von Einrichtungen durch die Umlandgemeinden sein.

Starke Kommunen – starke Kultur
Im Verhältnis Bund, Länder und Kommunen haben die Kommunen mit 55 % nicht nur den größten Anteil an der Kulturförderung, sie haben trotz der anhaltenden Krise der öffentlichen Haushalte ihren Anteil sogar noch deutlich behaupten und die Ausgaben steigern können.

Die öffentliche Kulturförderung in den Kommunen findet nach den bewährten Prinzipien der Pluralität, Dezentralität und Subsidiarität statt. Nach dem Prinzip der Pluralität gibt es keine Gegensätze zwischen der Spitzenkunst und der Breitenkulturarbeit. Beides ist in unterschiedlichen Ausformungen je nach den örtlichen Gegebenheiten gleichermaßen für eine lebendige Stadt und Gemeinde nötig. Das gilt auch für die gleichrangige Funktion von etablierter Kunst und neuen Kunstformen.

Das Prinzip Dezentralität bedeutet, dass Kunst- und Kulturförderung nicht nur auf die großen Zentren beschränkt sein dürfen. Die kulturelle Grundsicherung (oder auch Grundversorgung) mit Angeboten der kulturellen Bildung ist im Interesse attraktiver Lebensbedingungen in den Kommunen ein wichtiger Standortfaktor. Dem ehrenamtlichen kulturellen Engagement von Bürgern in der kulturellen Breitenarbeit kommt eine wichtige Aufgabe zu.

Aus dem Prinzip der Subsidiarität folgt, dass kommunales Handeln im Kulturbereich nicht den Ehrgeiz haben kann und darf, alles in eigener Regie betreiben zu wollen. Wichtig für das kulturelle Leben in einer Kommune ist ein qualitativ hochwertiges und attraktives Kulturangebot. In wessen Trägerschaft dieses Angebot erfolgt, ist demgegenüber nachrangig.

Bei den zunehmenden Herausforderungen der Zukunft durch den demographischen Wandel und stärkere Integrationsanforderungen müssen die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre oben skizzierten Aufgaben in der Kulturpolitik wahrzunehmen. Dazu bedarf es langfristig gesicherter Kommunalfinanzen. Nur so können Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, was sie sich leisten wollen und können – und welchen Stellenwert Lebensqualität und kulturelle Attraktivität in ihrem Wohnort haben sollen.
Deshalb fordern die Kommunalpolitiker der Union eine umfassende Gemeindefinanzreform im Zuge des von CDU und CSU entwickelten Steuerkonzepts 21 zur Sicherung einer Selbstgestaltung in der Kulturpolitik vor Ort.

Kultur – Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Ländern und Kommunen
Bund, Länder und Kommunen haben als staatliche Gemeinschaft eine gemeinsame Verantwortung für herausragende Kultureinrichtungen von nationaler, gerade auch geschichtlicher Bedeutung und internationaler Strahlkraft. National herausragende Einrichtungen in den Kommunen, die die kulturelle Strahlkraft Deutschlands in gleicher Weise prägen wie die Hauptstadtkultur, sind durch den Bund zu fördern. Die Kommunen sind an dem Entscheidungsprozess zu beteiligen.

Bei kulturellen und historischen Stätten, die als nationales Erbe anerkannt sind, müssen sich Bund und Länder mit klaren Zuweisungen engagieren.

In einem polyzentrisch organisierten Föderalismus sind die Städte und Gemeinden das Terrain für kulturelle Innovation und internationale Verflechtung. Dabei geht es nicht um eine Irritation der innerstaatlichen Balance, sondern um die komplementäre Verstärkung der Produktion von Kunst und Kultur, dort wo sie entsteht: in den Kommunen. Deswegen ist es zu begrüßen, wenn die Bundeskulturstiftung die kulturelle Bedeutung der Kommunen mit Projekten wie "Kunst und Stadt" unterstreicht.

In der auswärtigen Kulturpolitik, die zu einem Großteil getragen und ermöglicht wird durch die Arbeit von Kulturinstitutionen, die wiederum mehrheitlich in der Rechtsträgerschaft von Kommunen stehen, sind die Kompetenzen der Kommunen entsprechend ihrem finanziellen und inhaltlichen Engagement neu zu bestimmen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Kommunen zwar über die von ihnen finanzierten Einrichtungen viel Geld für repräsentative Projekte Deutschlands im Ausland bereitstellen, bei den Entscheidungen über die politischen Ziele und Inhalte der Repräsentation Deutschlands aber so gut wie gar nicht beteiligt werden. Deshalb fordern die Kommunalpolitiker der Union eine intensivere Information über Programmatik und Programme der auswärtigen Kulturpolitik und die Finanzierungsmöglichkeiten von kulturellem Engagement im Ausland. Bisher fehlt eine systematische Erfassung und Information.

Kommunale Kulturpolitik in Europa
Die Kommunalpolitiker der Union begrüßen die fortschreitende europäische Einigung, sehen sich aber einer doppelten Aufgabenstellung gegenüber: Einmal als Betroffene europäischer Entscheidungen und zum anderen als Mitgestalter eines bürgernahen Europas der Städte und Gemeinden. Gemeinsames Anliegen aller europäischen Kommunen muss es sein, die kulturellen Entwicklungspotentiale so zu steuern, dass die europäische Stadt mit ihrem dichten Neben- und Miteinander der sozialen Gruppen, ihrer zivilisierten, kultivierten und intellektuellen Lebensweise und mit ihrem freien Bürgertum wieder zu einem besonderen gesellschaftlichen Ort wird, bzw. ein solcher bleibt. Verantwortliche Stadtentwicklungsplanung muss bürgerfreundliche Strukturen vorgeben und die Zersiedelung sowie das unkontrollierte Wachstum in den Rand- und Außenbereichen unserer Städte und Gemeinden wirkungsvoll bekämpfen. Der Umgang mit Erosionen der Stadtentwicklung, mit dem Verlust an Zentralitätsfunktion und Handelsfunktion sind Themen, die auf europäischer Ebene erörtert werden müssen.

Die Kommunen müssen ihre Kultur als Bestandteil des europäischen Kulturerbes verstehen, gestalten und kommunizieren. Sie müssen zur europäischen Kulturpolitik ihre eigenen Positionen formulieren und vertreten können. Dazu gehören auch regionale Zuordnungen. Im Rahmen der nun anstehenden europäischen Debatte über die kulturelle Vielfalt in Europa haben die Kommunen als wichtigster Träger und Förderer von Kultureinrichtungen eine zentrale Rolle. Sie müssen sich einmischen, wenn es um die Systematik europäischer Kulturförderung oder um Regelungswerke geht, mit denen z.B. die Anwendung des Subventionsbegriffs bestimmt oder Wettbewerbskriterien für die öffentlich geförderte Kultur zur Diskussion gestellt werden. Ein europäisches kommunales Netzwerk festigt den Stellenwert der Kulturpolitik im Gesamtgefüge kommunaler und europäischer Interessen und zeigt gemeinsame Entwicklungslinien auf.

Kulturperspektive für die junge Generation
Der Kinder- und Jugendkulturarbeit muss im Rahmen der kommunalen Kulturpolitik ein besonderer öffentlicher Stellenwert eingeräumt werden. Hier liegt sogar ein gesetzlicher Auftrag für eine kommunale Pflichtaufgabe vor. § 11 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) formuliert den Auftrag, "die zur Förderung der Entwicklung junger Menschen erforderlichen Angebote zur Verfügung zu stellen" und macht ihn zur Pflichtaufgabe für die Verwaltung bzw. die Jugendhilfeträger. Die kulturelle Bildung ist eine Querschnittsaufgabe der Bildungs-, Jugendhilfe- und Kulturpolitik. Sie ist ein wichtiges Element zur Bewältigung der Herausforderungen unterschiedlicher sozialer Milieus und zur Förderung der kreativen Potentiale junger Menschen. Sie ist angesiedelt im schulischen wie im außerschulischen Bereich und muss komplexe Rahmenbedingungen, unterschiedliche Ressortzuständigkeiten und Etatabgrenzungen berücksichtigen. Beim Ausbau von Ganztagesschulen stehen Angebote der kulturellen Bildung wie z. B. der Musikschulunterricht vor großen konzeptionellen und organisatorischen Herausforderungen. Beim Ganztagesschulbetrieb muss das bisherige außerschulische Angebot zum integralen Bestandteil des schulischen Angebotes werden.

PPP – Neue Verantwortungspartnerschaften in der Kultur
Public private partnership steht für ein breites Spektrum von Kooperationsmodellen zwischen öffentlicher und privater Hand. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität entlasten privat finanzierte Kultureinrichtungen und Angebote die Kommunen, wenn sie eine ausreichende kulturelle Infrastruktur gewährleisten. Allerdings müssen ehrenamtliche Mitwirkung, finanzielle Unterstützung von privaten bis hin zu gemischten Trägerschaften transparenten und verbindlichen Regeln folgen.
Kultur in der Bürgergesellschaft ist ein Partnerschaftsmodell, bei dem beide Partner unverzichtbare Aufgaben haben. Die Kommune muss die Basis bleiben, sie ist der Garant der kulturellen Grundsicherung, die auch in privater Trägerschaft erfolgen kann. Die Modelle der neuen Verantwortungspartnerschaften entlassen die öffentliche Hand deshalb nicht aus ihrer grundsätzlichen Verantwortung, den Kernbestandteil der kulturellen Angebote insbesondere im Bereich der kulturellen Bildung finanziell zu garantieren und unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft dauerhaft zu gewährleisten. Die Kommunalpolitiker der Union streben den fruchtbaren Dialog zwischen Staat und Bürgerschaft an und begrüßen Mitsprache und Mitgestaltungsrechte der Bürger, die sich für Kulturprojekte engagieren.

Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung im Kulturbetrieb
Bürgerschaftliches Engagement hat die Kulturlandschaft nachhaltig verändert. Gesellschaftliche Aktivitäten ergänzen staatliche Leistungen, Trägerstrukturen werden verändert und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit den Kultureinrichtungen wächst. Entstanden ist dieser Ansatz bereits im 19. Jahrhundert in den bürgerlichen Salons und Arbeiterbildungsvereinen. Damals wurde der Grundstein der heutigen Kultureinrichtungen gelegt, die sich aus der privaten über die privat-öffentliche in die endgültige Trägerschaft der öffentlichen Hände entwickelten. Wenn heute angesichts der deutlichen Grenzen des Wohlfahrtsstaates über eine gegenläufige Tendenz nachgedacht wird, mäzenatischen Handeln bis hin zu Stiftungen an Bedeutung gewinnt, ist dies nur folgerichtig. Erfolgreiche Integration von Ehrenamtlichen setzt die Bereitschaft zum Umdenken in Verwaltung, Politik und bei den hauptamtlichen Mitarbeitern in den Kultureinrichtungen voraus. Ehrenamtliche müssen motiviert werden und Mitverantwortung übernehmen können. Aktuelle Tendenzen zur Einschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen bei Fördervereinen für Kunst und Kultur sind kontraproduktiv.

Qualifikation des kommunalen Ehrenamts im Kulturbereich
Bürgerschaftliches Engagement beschränkt sich nicht auf die konkreten praktischen Tätigkeiten in Bürgervereinen und -initiativen im Kulturbereich. Auch die politische Mitverantwortung z. B. in der Kommunalpolitik, in Vereinen, Stiftungen, Beiräten oder Kuratorien gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das erfordert ein neues Selbstverständnis der Kulturpolitik, dessen charakteristische Merkmale auf vier Schwerpunkten beruhen: Kommunikation steht für die Notwendigkeit, zu interagieren, sich darzustellen, auf die Partner im kulturellen Feld einzugehen. Kooperation muss als Managementaufgabe ernst genommen werden, braucht überzeugende Programme und funktionierende Anreizsysteme (z. B. matching funds). Koordination soll die verschiedenen Sektoren Markt, Staat und Kulturszene aufeinander abstimmen. Konsensfindung hat sich der Tatsache zu stellen, dass es immer schwieriger wird, öffentliche Kulturpolitik zu formulieren. Hierzu bedarf es gezielter Handreichungen für die ehrenamtlichen Kulturpolitiker, die mit immer komplexeren Rechts- und Managementaufgaben konfrontiert werden. Die in diesem Zusammenhang bestehenden Informations- und Fortbildungsangebote sind weiter auszubauen.

Zwischen Anspruch und Zuspruch – Das Publikum im Fokus kommunaler Kulturpolitik
Öffentliche Kultureinrichtungen leiten im Gegensatz zu kommerziell orientierten Betrieben ihre Legitimation nicht aus dem Prinzip der Gewinnmaximierung ab. Eine beliebige Produktanpassung an den jeweiligen Publikumsgeschmack steht dem künstlerischen, ästhetischen und bildungspolitischen Auftrag entgegen. Trotzdem greift die bloße Konzentration auf das künstlerische Produkt dann zu kurz, wenn das Publikum nicht mehr erreicht wird. Kunst und Publikum bedingen einander. Unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung eines öffentlichen Auftrags, der öffentliche Trägerschaft und Zuwendungen rechtfertigt, haben sich Kulturinstitutionen mit Akzeptanzfragen und ihrer Besucherorientierung auseinander zu setzen. Kommunale Kulturpolitik hat den gestaltenden Auftrag, im Sinne einer initiierenden und kontrollierenden Moderation innovative Strategien der Publikums- und Nutzerorientierung in den öffentlichen Kulturinstitutionen zu installieren und zu begleiten.

Kulturwirtschaft
Die Bedeutung der Kulturwirtschaft ist in der Kulturpolitik lange Zeit unterschätzt worden. Kulturwirtschaft im engeren Sinne ist ein wichtiger, in seiner Wirkung für die Städte und Gemeinden immens ansteigender Wirtschaftszweig mit ca. 65.000 Unternehmen und 41 Milliarden Euro Umsatz. Neuansiedlungen in diesem Gebiet sind nicht nur für die Wirtschaftsförderung interessant, sondern tragen zur kulturellen Vielfalt, zum Wert und Attraktivität unserer Städte und Gemeinden bei. Die Ansiedlung von Unternehmen der Kulturwirtschaft schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern zieht ein interessantes Klientel von Kulturschaffenden und Künstlern an. Deshalb muss eine florierende Kulturwirtschaft auch als kulturpolitisches Anliegen begriffen werden. Die Kulturpolitiker der Union streben deshalb eine wirkungsvolle Beziehungsebene der öffentlichen Kulturpolitik zu den Unternehmen der Kulturwirtschaft an.

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