Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung
Von der neuen Bundesregierung erwartet der KPV-Bundesvorstand vor allem eines: die Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung. Wie dies auszusehen hat, legt ein Beschluss vom 23.09.2005 genauer fest. Die Stichwörter lauten: Subsidiaritätsprüfung, Gemeindefinanzreform, Verbesserung der Arbeitsvermittlung, Ausbau der Kindertagesbetreuung, Reform der Kinder- und Jugendhilfe, Einführung eines bundesfinanzierten Leistungsrecht für Behinderte, Nutzung des Know-hows kommunaler Spitzenverbände und die Berufung eines Staatsministers für Kommunales.
Beschluss des KPV-Bundesvorstandes am 23.09.2005
Zehn Aufgaben der neuen Bundesregierung zur Sicherung der Kommunalen Selbstverwaltung
- Neue Gesamtkonzepte für Stadtentwicklung und ländlichen Raum Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung (Alterung, zunehmende Kinderlosigkeit) und arbeitsmarktbedingter Wanderungen fordern wir die neue Bundesregierung auf, Fragen der städtebaulichen Entwicklung (intelligentes Schrumpfen) zu beantworten. Städtische und regionale Wirtschaft wird zur entscheidenden Stellgröße der Stadtentwicklung. Integrationsfunktion, Verbesserung des Wohnumfelds, Gebäudesanierungen sind neue Herausforderungen, mit denen die Kommunen nicht allein gelassen werden dürfen. Städte müssen die Rolle von regionalen Entwicklungs- und Innovationsmotoren übernehmen. Investitions- und Städtebauförderungsprogramme sind inhaltlich zu bündeln, flexibler zu gestalten, stärker zu verzahnen und zu vereinfachen. Wege zu mehr bürgerschaftlichem Engagement bei der Stadtentwicklung sind aufzuzeigen.
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Subsidiaritätsprüfung starten
Der EU-Verfassungsvertrag verschafft dem Subsidiaritätsprinzip rechtlich verankerte Geltung. Wir fordern die neue Bundesregierung auf, von Anfang an die Subsidiaritätsprüfung zu praktizieren und in die europäische Gesetzgebung die Kommunen einzubeziehen. Um innerhalb des nationalen Parlaments praktikable und wirksame Kontrollmechanismen zu etablieren, die auch den berechtigten kommunalen Belangen größtmöglichen Schutz im Rahmen der Möglichkeiten des EU-Vertrags (Frühwarnsystem) gewährleisten, fordern wir die Mitwirkung der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände in Hinblick auf Einhaltung der Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in allen drei nationalen Verfassungsorganen, (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung). Die Bundesvereinigung soll dazu verpflichtet werden, rechtzeitig und einstimmig eine Stellungnahme vor dem jeweiligen Verfassungsorgan abzugeben. -
Gemeindefinanzen
Wir brauchen eine umfassende Gemeindefinanzreform, die Einnahmen und Ausgaben wieder in Einklang bringt. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Auswirkungen der Änderung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts auf die Kommunalfinanzen zu beschreiben und zu berücksichtigen. Die neue Bundesregierung muss im Rahmen einer großen Steuerreform eine aufkommensneutrale Umwandlung der kommunalen Besteuerung von wirtschaftlicher Betätigung vorbereiten. Die Kommunen sollen dabei auf der Basis der Ermittlung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer bzw. Unternehmenssteuer eigene Bemessungsgrundlagen für eine kommunale Besteuerung gegenüber der Wirtschaft und der Bürger mit jeweils getrennten Hebesätzen erhalten. Durch ein betriebstättenbezogenes kommunales Hebesatzrecht auf die Einkünfte aus wirtschaftlicher Betätigung soll das wichtige Band zwischen Kommune und Wirtschaft sichergestellt und gleichzeitig Verwerfungen im Stadt-Umland-Verhältnis vermieden werden. Die Gewerbesteuer wird danach entbehrlich. Die wohnstättenbezogene Besteuerung als Ersatz für den bisherigen Gemeindeanteil an der Einkommensteuer muss ebenfalls mit einen Hebesatzrecht versehen werden, um das notwendige Band zwischen Bürger und Gemeinde herzustellen. Dazu ist eine entsprechende Kommission einzusetzen, an der Fachleute aus den Kommunen zu beteiligen sind. -
Arbeitsvermittlung verbessern, kommunale Trägerschaft erweitern, Entlastung sicherstellen
Der Union geht es in erster Linie um die Verbesserung der Arbeitsvermittlung. Dazu muss das Kreativitätspotenzial der Kommunen stärker genutzt werden. Deshalb müssen die Kontingentierung der Option aufgehoben und allen Kommunen, die dies wollen, die Möglichkeit für eine eigenverantwortliche Trägerschaft mit eigenen Handlungs¬spielräumen und einer verlässlichen Finanzierung eingeräumt werden. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie die finanzielle Verantwortung für deren Folgen bleibt jedoch eine nationale Aufgabe. In diesem Zusammenhang muss auch die Rolle der Bundesagentur für Arbeit neu überdacht werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die im Rahmen von Hartz IV zugesagte kommunale Entlastung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro jährlich sicherzustellen und zu prüfen, inwieweit derzeit entstehende Ungleichgewichte in der Verteilung von Be- und Entlastungen auf der kommunalen Ebene ausgeglichen werden können. Dazu ist, wie im Vermittlungsausschuss verabschiedet, die Überprüfung der quotalen Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten zum 01. Oktober 2005 vorzunehmen. Sollte die Überprüfung eine Abweichung von der vorgesehenen Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Mrd. € ergeben, erfolgt eine Anpassung der Quote. -
Tagesbetreuungsausbaugesetz ändern
Wir schließen uns der Auffassung des Bundesrates an, wonach die grundlegende Zielrichtung des Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder, die Verbesserung des Angebotes in der Kindertagesbetreuung, zu unterstützen ist, aber den Eingriff des Bundes in die kommunale Aufgabe der Sicherstellung eines bedarfsgerechten Versorgungsangebotes abzulehnen ist. Die Finanzierungsgrundlage des Gesetzes ist nicht akzeptabel. Eine Gegenrechnung mit den angenommenen Entlastungen aus Hartz IV ist weder dem Grunde, noch der Höhe nach gerechtfertigt. Es kann nicht sichergestellt werden, dass eintretende Einsparungen durch die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe dort auftreten, wo ein Ausbau an Betreuungseinrichtungen erforderlich wird. Wenn die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte für die Absenkung der Lohnnebenkosten erhöht wird, sprechen wir uns dafür aus, dass der verbleibende Betrag von ca. 2 Mrd. Euro den Ländern und Kommunen zur Sicherstellung eines bedarfsgerechten Ausbaus der Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt wird. -
Kinder- und Jugendhilfe reformieren
Die Kinder- und Jugendhilfe des Bundes muss sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Alle Regelungen und Maßnahmen gehören auf den Prüfstand. Die neue Bundesregierung muss klarere bundesrechtliche Rahmenregelungen bezüglich Zuständigkeiten, Trägerstruktur und Behördenzuständigkeiten schaffen. -
Bundesfinanziertes Leistungsrecht für behinderte und von Behinderung bedrohten Menschen
Die Bundesregierung ist gefordert, die Arbeiten für ein eigenständiges, von der Sozialhilfe unabhängiges Leistungsgesetz für Behinderte aufzunehmen und unter Beteiligung der Betroffenen und der Kommunen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Nur auf diese Weise können die Herausforderungen der Zukunft bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderung bewältigt werden. -
Bürokratie und Regelungsdichte abbauen, Vergaberecht vereinfachen
Wir fordern eine ressortübergreifende , aus dem Bundeskanzleramt koordinierte Task Force, die im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung einen Katalog von kommunalrelevanten Gesetzen und Verordnungen erarbeitet, die zeitlich befristet, ersatzlos wegfallen oder modifiziert werden können. Das Vergaberecht muss deutlich verschlankt werden, es ist zu bürokratisch und verhindert Investitionen. -
Frühzeitige Nutzung des Know Hows der Kommunalen Spitzenverbände
Wir fordern die Umsetzung der Geschäftsordnung der Bundesministerien, die besagt, dass vor der Entstehung eines Gesetzentwurfes Interessen und Wünsche von Ländern und Kommunen zu ermitteln sind, damit sie in den Gesetzesentwurf eingearbeitet werden können. Vor Abfassung eines Entwurfs ist die Auffassung der Länder und der auf Bundesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbände einzuholen. Außerdem besagt die Geschäftsordnung, dass die Kosten, die durch das Gesetz entstehen würden, für Bund, Länder und Kommunen getrennt auszuweisen sind, um so die Auswirkungen auf die Haushalte transparent zu machen. Das für den Gesetzentwurf federführende Bundesministerium hat bei den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden rechtzeitig Angaben zu den Ausgaben einzuholen. -
Berufung eines Staatsministers für Kommunales als Schnittstelle der Regierung
Unterschiedliche kommunalrelevante Zuständigkeiten in den verschiedenen Ministerien erfordern eine Bündelung in einer Hand. Hinzu kommen politische Vorgaben der Europäischen Kommission, oft mit einschneidenden Auswirkungen auf die Kommunen. Um im Vorfeld staatlicher Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse zukünftige Auswirkungen auf Städte, Gemeinden und Kreise zu prüfen und die kommunalen Belange in der Bundesregierung zu bündeln, ist die Einsetzung eines Staatsministers/ Staatssekretärs für Kommunalpolitik erforderlich. Die Aufgabe ist im Bundeskanzleramt am besten wahrzunehmen. Dort wäre der enge Kontakt zu den Bundesministerien mit ihren ressortspezifischen Informationen am besten sicherzustellen. Gleichzeitig wäre dies ein positives Signal an die Kommunen. Die Bedeutung der kommunalen Ebene für die Politik der Union könnte so zusätzlich unterstrichen werden.