Soziales

Verbesserung der Betreuung von Arbeitssuchenden

Die KPV begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 und sieht darin eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland. In seinem Beschluss vom 15. Februar 2008 hält der KPV-Bundesausschuss an der Zusammenführung der Arbeitslossen- und Sozialhilfe fest. Er fordert die Bundesregierung und die Länder auf, organisatorische Veränderungen bei den ARGEn zu einer Stärkung der Flexibilität und Dezentralität zu nutzen.

Beschluss des Bundesvorstandes am 15. Februar 2008

Verfassung achten, kommunale Stärken nutzen

Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschland (KPV) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Es stärkt nachdrücklich die Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland. Die Verantwortungsvermischungen und zentralstaatliche Vereinnahmung der Kommunen – auch solche, die im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen – werden als verfassungswidrig erklärt.

Die KPV hält an der Zusammenführung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe in Deutschland fest. Nur „Fördern und Fordern aus einer Hand“ gewährleistet eine optimale Betreuung der Erwerbsfähigen und ihrer Familien mit dem Ziel der Integration in Arbeit und der Unabhängigkeit von staatlicher Unterstützung. Die KPV fordert die Bundesregierung und die Länder auf, organisatorische Veränderungen bei den ARGEn zu einer Stärkung der Flexibilität und Dezentralität zu nutzen.

Wenn heute Städte und Kreise in der Lage sind, leistungsstark, kreativ und sachgerecht Arbeitsfähige in Deutschland nicht nur zu verwalten, sondern zielgerichtet in den Arbeitsmarkt zu integrieren, müssen Bund und Länder sicherstellen, das alle Kommunen diese Aufgabe erfüllen können. Dabei muss neben dem „Fördern“ auch das „Fordern“ gleichgewichtig beachtet werden.
Finanzielle Risiken der Aufgabenerfüllung dürfen vom Bund nicht auf die Länder und Kommunen übertragen werden. Die KPV fordert die Bundesregierung und die Länder auf, ein nachhaltiges Finanzierungskonzept zur besten Betreuung, Beratung und Begleitung Arbeitsloser vor Ort zu entwickeln.

Die Verbesserung einer effizienten und erfolgreichen Betreuung von Arbeitssuchenden unter Berücksichtigung der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Herausforderung, die sich weder für parteipolitische Ränkespiele eignet noch auf die lange Bank geschoben werden sollte. Wesentliche Ergebnisse der Evaluation der Option liegen bereits auf dem Tisch. Die KPV fordert daher einen klaren Fahrplan, der sicherstellt, dass eine praxistaugliche, sach- und fachgerechte Entscheidung getroffen werden kann. Neue innovative Modelle sind durch Experimentierklauseln zu ermöglichen. Der Bundesrat und die Bundesregierung werden aufgefordert, in Kooperation mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine nationale Konferenz der Oberbürgermeister und Landräte sowie der zuständigen Hauptverwaltungsbeamten aus den Kommunen in Deutschland einzuberufen, um die Kommunen fachkundig in die Willensbildung einzubeziehen.

Zur Vorbereitung wird die KPV die Oberbürgermeister und Landräte sowie die zuständigen Hauptverwaltungsbeamten, soweit sie der Union angehören, zu einer Fachtagung in Berlin einladen.
 
Hintergrund:

Die KPV hat bereits 2005 in ihrem Hamburger Beschluss die Verbesserung der Arbeitsvermittlung, die Erweitung der kommunalen Trägerschaft sowie die Sicherstellung der finanziellen Entlastung gefordert: „Der Union geht es in erster Linie um die Verbesserung der Arbeitsvermittlung. Dazu muss das Kreativitätspotenzial der Kommunen stärker genutzt werden. Deshalb müssen die Kontingentierung der Option aufgehoben und allen Kommunen, die dies wollen, die Möglichkeit für eine eigenverantwortliche Trägerschaft mit eigenen Handlungsspielräumen und einer verlässlichen Finanzierung eingeräumt werden. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie die finanzielle Verantwortung für deren Folgen bleibt jedoch eine nationale Aufgabe. In diesem Zusammenhang muss auch die Rolle der Bundesagentur für Arbeit neu überdacht werden.“

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. Dezember 2007 steht fest, dass es sich bei den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) um verfassungsrechtlich unzulässige Mischverwaltungen handelt. Die in § 44b SGB II geregelte Pflicht der Kreise der kreisfreien Städte zur Aufgabenübertragung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) auf die Arbeitsgemeinschaften und die einheitliche Aufgabenwahrnehmung von kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften verletzt die Gemeindeverbände in ihrem Anspruch auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung und verstößt gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Bis 2010 hat der Gesetzgeber eine neue, verfassungskonforme Regelung zu treffen.

A. Die zentralen Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes kurz zusammengefasst:

1.) Verletzung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
Nach der Systematik des Grundgesetzes wird der Vollzug von Bundesgesetzen entweder von den Ländern oder vom Bund, aber nicht zugleich von Bund und Land oder einer von beiden geschaffenen dritten Institution wahrgenommen. Eine Ausnahme kann nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen. Das ist bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende, einem der größten Sozialverwaltungsbereiche mit einem enormen Finanzvolumen definitiv nicht der Fall. Zur Erinnerung: Bei diesen Arbeitsgemeinschaften handelt es sich nicht um eine nur räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden. § 44b SGB II sieht vielmehr eine selbständige, sowohl von der Sozial- als auch von der Arbeitsverwaltung getrennte Organisationseinheit vor, die die gesamten Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst. „Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende „aus einer Hand“ zu gewähren, ist zwar ein sinnvolles Regelungsziel. Dieses kann aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg des Art. 87 GG (bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau) wählt, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug nach der Grundregel des Art. 83 GG insgesamt den Ländern als eigene Angelegenheit überlassen wird.“

2.) Verletzung des Grundsatzes eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung
Dieser Grundsatz verpflichtet den zuständigen Verwaltungsträger, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung ist in den Arbeitsgemeinschaften weder für die Agenturen für Arbeit noch für die kommunalen Träger gewährleistet. In der Praxis sieht es so aus, dass „bei gegensätzlicher Auffassung der jeweiligen Träger die Leistungen nur erbracht werden können, wenn einer der beiden – in der Praxis zumeist der kommunale Träger – auf sein Weisungsrecht und damit auf seine Einwirkungsmöglichkeiten verzichtet“.
In den Arbeitsgemeinschaften sind unabhängige und eigenständige Entscheidungen über die Aufgabenwahrnehmung durch den jeweiligen Verwaltungsträger in weitem Umfang weder vorgesehen noch möglich. § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass die Aufgaben in den Arbeitsgemeinschaften einheitlich wahrgenommen werden. Diese einheitliche Aufgabenwahrnehmung zwingt die beiden Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, sich in wesentlichen Fragen der Organisation und der Leistungserbringung zu einigen. Innerhalb der Arbeitsgemeinschaften sind die Aufgaben der Arbeitsagenturen und der kommunalen Träger untrennbar verbunden und werden integriert und ganzheitlich wahrgenommen. Dies führt dazu, dass die Aufgaben nur dann nach den Vorstellungen des jeweiligen Verwaltungsträgers vollzogen werden können, wenn diese sich mit denjenigen des anderen Trägers decken. Zudem widerspricht die Organisationsstruktur der Arbeitsgemeinschaften der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung.

3.) Verletzung des Grundsatzes der Verantwortungsklarheit
Die organisatorische und personelle Verflechtung bei der Aufgabenwahrnehmung behindert eine klare Zurechnung staatlichen Handelns zu einem der beiden Leistungsträger. Es gibt Unsicherheiten in Hinblick auf die Anwendbarkeit von Bundes- und Landesrecht, wie sie etwa im Vollstreckungsrecht und beim Datenschutz aufgetreten sind. Die Unklarheiten führen zu Freiräumen in den Arbeitsgemeinschaften, die die Gefahr einer Verselbständigung ohne hinreichende Kontrolle durch einen verantwortlichen Träger mit sich bringen.

4.) Verletzung des Demokratieprinzips
Die Verletzung der Kompetenzordnung hat noch eine weiter reichende Dimension: Aus Sicht des Bürgers bedeutet rechtsstaatliche Verwaltungsorganisation zuallererst Klarheit der Kompetenzordnung; denn nur so wird die Verwaltung in ihren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für den einzelnen „greifbar“. Eine hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten ist vor allem im Hinblick auf das Demokratieprinzip erforderlich, das eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen fordert und auf diese Weise demokratische Verantwortlichkeit ermöglicht. Daran fehlt es aber, wenn die Aufgaben so wahrgenommen werden, dass eine klare Verantwortungszuordnung nicht möglich ist. Der Bürger muss wissen können, wen er wofür -auch durch Vergabe oder Entzug seiner Wählerstimme – verantwortlich machen kann.

Resümee
Das Bundesverfassungsgericht würdigt ausdrücklich das Anliegen, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzuführen und die Verwaltung „aus einer Hand“ zu gewähren. Dieses Regelungsziel „kann aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg der bundeseigenen Verwaltung wählt, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug insgesamt den Ländern als eigene Angelegenheit überlassen wird. Die Optionskommunen sind laut Bundesverfassungsgericht der beste Beweis dafür, dass der Bundesgesetzgeber selbst eine in der Natur der Aufgabe begründete Notwendigkeit für eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch Bundesagentur und kommunale Träger nicht gesehen hat.“ Dem Gesetzgeber muss die Möglichkeit gegeben werden, die Erfahrungen der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung in den so genannten Optionskommunen des § 6a SGB II und die Ergebnisse der gemäß § 6c SGB II vorgesehenen Wirkungsforschung zu den Auswirkungen der Neuregelung des Sozialgesetzbuchs – Zweites Buch – zu berücksichtigen.

B. Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c SGB II – Vergleichende Evaluation des arbeitsmarktpolitischen Erfolgs der Modelle der Aufgabenwahrnehmung „zugelassene kommunale Träger“ (zkT) und „Arbeitsgemeinschaften“ (ARGn), Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG) Jahresbericht 2007, wesentliche Aspekte:

Die finanziellen Rahmenbedingungen für ARGEn und zkT waren und sind im Wesentlichen gleich. Auf den Erfolg der beiden Modelle dürfte hiervon nach derzeitigem Kenntnisstand kaum ein Effekt ausgehen.

Entscheidungsgrundlagen für ARGE oder Option
Neben den politischen Einflüssen auf den Entscheidungsprozess für das eine oder andere Modell der Aufgabenwahrnehmung spielten offenbar Kooperationserfahrungen in der Vergangenheit eine wichtige Rolle. Bei den zkT fällt auf, dass die Sozialämter schon vor der Einführung des SGB II mit den Arbeitsagenturen eng zusammengearbeitet haben, indem gemeinsame Anlaufstellen bestanden, Beschäftigungsförderungsgesellschaften eingerichtet wurden oder bei der Betreuung Jugendlicher und der Umsetzung gemeinsamer Programme für Langzeitarbeitslose kooperiert wurde.

Regionale Ausgangslage
Die Analyse der regionalen Rahmenbedingungen vor dem 01.01.2005 zeigt, dass die Arbeitsmarktbedingungen in den späteren ARGE-Kreisen insgesamt etwas ungünstiger waren als in den späteren zkT. Die späteren ARGE-Regionen wiesen – gegenüber dem bundesdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum zwischen 2000 und 2004 von 0,5% – ein leicht unterdurchschnittliches Wachstum (0,3%) der Bevölkerung auf, während die Bevölkerung in Kreisen, die die Option wählten, vor 2005 mit 1% überdurchschnittlich stark angestiegen war. Hinsichtlich der Indikatoren für die Wirtschaftskraft in der Region (BIP und Einkommen pro Einwohner sowie Produktivität) unterscheiden sich die späteren ARGE- und zkT-Kreise hingegen kaum. Allerdings weisen hier die insgesamt städtischeren Regionen mit ARGEn etwas höhere Werte bei allen in den Vergleich einbezogenen Kennzahlen der Wirtschaftskraft auf als die Regionen mit zkT. Bezüglich der Arbeitsmarktsituation ist von einer etwas besseren Situation in den Regionen auszugehen, die sich für die Option entschieden haben. Der Anteil der registrierten Arbeitslosigkeit lag Ende 2004 in den späteren ARGE-Regionen bei durchschnittlich 9,4%, während Kreise, in denen ab 2005 ein zugelassener kommunaler Träger die Aufgaben der Grundsicherung wahrnahm, eine um einen Prozentpunkt geringere Arbeitslosenquote (8,5%) aufwiesen. Diese etwas ungünstigere Ausgangssituation der späteren ARGE-Kreise im Vergleich zu zukünftigen zkT-Regionen zeigt sich jedoch lediglich bei den Stadtkreisen. Die beste Ausgangslage im Hinblick auf (fast) alle betrachteten Indikatoren war in denjenigen Regionen zu finden, in denen ab 2005 die Grundsicherung in getrennter Aufgabenwahrnehmung durchgeführt wurde. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwar Unterschiede zwischen den Modellen der Aufgabenwahrnehmung beobachtbar sind, jedoch in vielen Fällen die Heterogenität bei den Startbedingungen innerhalb der Modelle der Aufgabenwahrnehmung deutlich höher war als zwischen diesen.

Administrative Umsetzung
Insgesamt gesehen haben zugelassene kommunale Träger größere Handlungsspielräume als ARGEn. Sie sind bei der Leistungserbringung, für die sie die Gesamtverantwortung tragen, freier. Zudem sind sie wesentlich weniger damit gefordert, in lokalen Aufsichtsgremien Abstimmungsprozesse herbeizuführen.
Die zkT müssen im Rahmen des Finanzcontrolling dem Bund zwar Unterlagen vorlegen, die möglicherweise einen gewissen Einfluss auf ihre Ziele, deren Umsetzung und das Controlling haben, diese sind allerdings mit dem Zielsteuerungsansatz des § 48 SGB II nicht vergleichbar (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 2, S. 129). Mit anderen Worten, zkT verfügen bei der Ausgestaltung ihrer Geschäftspolitik über höhere Freiheitsgrade.
Im ARGE-Modell mischen sich Aufsichtsrechte des Bundes und der Länder. ARGEn weisen einen hohen institutionellen Regelungsbedarf auf (zwei Träger und geteilte Personalzuständigkeit), während dieser bei zkT deutlich geringer ist. So ist bei den ARGEn eine vergleichsweise hohe Zahl von Akteuren an der Steuerung der Grundsicherungsstelle beteiligt, während die zugelassenen kommunalen Träger eine geringere Anzahl von Akteuren einbeziehen müssen (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 2, S. 120 und 128f). Die lokalen Aufsichtsgremien – in der Regel die Trägerversammlungen – sind bei den ARGEn durch eine komplexe interne Organisation gekennzeichnet und die interessenpolitische Aushandlung zwischen lokalen und zentralen Ansprüchen hat bei ARGEn einen hohen Stellenwert. Bei ARGEn gab es daher wesentlich intensivere und auch längere Diskussionen und Abstimmungsprozesse um die Fragen der lokalen Handlungsspielräume und der Entscheidungsautonomie (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 2, S. 120). Im Januar 2007 hat das BMAS versucht mit dem sog. Rollenpapier an die Vorsitzenden der Geschäftsführung der Arbeitsagenturen („Die Arbeitsgemeinschaften und ihre Träger im SGB II“, Schreiben vom 12. Februar 2007), eine Klärung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in den ARGEn zu herbeizuführen. Das Papier betont die gemeinsame Verantwortung der beiden Träger für die Umsetzung der Grundsicherungsleistungen. Außerdem verweist es auf die Auftraggeberfunktion der Agenturen für Arbeit und der Kommunen für ihren jeweiligen Leistungsbereich. Hierbei wird die Agentur für Arbeit „als Auftraggeber eines gesetzlichen bzw. rechtgeschäftlichen Auftrags gegenüber der ARGE“ verstanden, die ggf. auch Weisungen zur Leistungserbringung und Einhaltung der Zielvereinbarungen erteilen könne (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 2, S. 55f). Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen ARGEn und zkT besteht in der „Herkunft“ der Leitungsperson, während in den ARGE-Regionen ein relativ ausgewogenes Verhältnis von Personen, die aus der Kommune kommen (46 von 96 Standorten, bzw. 48%), zu solchen mit einem Agentur-Hintergrund (54 von 96 Standorten, bzw. 52%) besteht, kommt die Leitungsspitze in den zKT zu 82% aus der Kommune. Zwischen 2005 und 2006 hat sich der Anteil der Geschäftsführer/innen in ARGEn, die aus der Kommune kommen, um rund 2% erhöht (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 2, S. 109 und Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 1, S. 136ff).

Entwicklung und strukturelle Zusammensetzung der SGB II-Kundinnen und Kunden
Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften sowie der in ihr lebenden Personen (erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige) hat sich seit Inkrafttreten der Grundsicherung für Arbeitsuchende diskontinuierlich entwickelt. Bis Mitte 2006 fand ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Bedarfsgemeinschaften und der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sowie der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen statt. Von Januar 2005 bis Mai 2006 ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von ca. 3,3 Mio. auf etwa 4,1 Mio. angestiegen und sank ab Juni 2006 von rund 4,1 Mio. auf ca. 3,8 Mio. im Dezember 2006. Die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entwickelte sich in diesem Zeitraum analog. Sie stieg von ca. 4,5 Mio. im Januar 2005 auf rund 5,5 Mio. im Mai 2006 und verzeichnete anschließend einen Rückgang auf etwa 5,3 Mio. im Dezember 2006. Seit Anfang 2007 steigen sowohl die Zahl der Bedarfsgemeinschaften als auch die der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jedoch wieder leicht an. Im März 2007 hat die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit rund 5,4 Mio. fast wieder den Höchststand vom Juni 2006 erreicht. Eine vollständig andere Entwicklung im Zeitablauf lässt sich für die Zahl der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen beobachten. Diese stieg bis Mitte 2006 kontinuierlich an und verharrt seitdem auf einem Niveau von rund 2,0 Mio. Personen. Unter den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen findet sich ein nicht unerheblicher Anteil an Personen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Dieser ist im Zeitverlauf beinahe kontinuierlich gestiegen. Mit einer kurzen Stagnationsphase in der zweiten Jahreshälfte 2005 nahm die Anzahl erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, von knapp unter 300.000 auf fast 600.000 stetig zu und hat sich damit in den ersten anderthalb Jahren, in denen das Grundsicherungssystem besteht, beinahe verdoppelt. Die Mehrheit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die regelmäßig einer Beschäftigung nachgehen (rund 70%), ist vollzeitbeschäftigt.
Insgesamt gehören rund 73% der befragten Kunden/innen mindestens einer der speziellen Zielgruppen des SGB II an. Mit über einem Drittel bilden Personen mit Migrationshintergrund die größte Zielgruppe, gefolgt von Personen unter 25 Jahren mit rund einem Viertel. Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren machen ca. 12% der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus. Im Vergleich der Modelle der Aufgabenwahrnehmung lassen sich Unterschiede zwischen Kreisen mit Arbeitsgemeinschaften und solchen mit zugelassenem kommunalen Träger vor allem hinsichtlich des Anteils an Personen mit Migrationshintergrund erkennen, was wiederum auf die im Durchschnitt stärkere Urbanität der Regionen mit ARGEn zurückzuführen sein dürfte. Hinsichtlich anderer relevanter Indikatoren, etwa bezüglich des Auslösers für die Hilfebedürftigkeit (z.B. Übergang aus Arbeitslosenhilfe/ Sozialhilfe, vorherige Arbeitslosigkeit ohne Bezug von Arbeitslosengeld, Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs, Veränderung in der Bedarfsgemeinschaft) und weiterer Indikatoren der Erwerbsbiographie existieren zwischen den Modellen der Aufgabenwahrnehmung keine statistisch signifikanten Unterschiede (vgl. Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 3). In der Gesamtschau kann im Hinblick auf die strukturelle Verteilung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Bedarfsgemeinschaften auf die Modelle der Aufgabenwahrnehmung das Fazit gezogen werden, dass trotz einer gewissen regionalen Heterogenität die Unterschiede bezogen auf die Modelle der Aufgabenwahrnehmung vergleichsweise gering sind. Die Grundsicherungsstellen müssen sich somit in jedem Modell der Aufgabenwahrnehmung mit einer sehr ähnlichen Vielfalt von Hilfebedürftigkeit auseinandersetzen.

Förderung und Aktivierung
Aus der Organisationsbefragung geht hervor, dass die Geschäftsführer/innen der zkT sozialintegrativen Leistungen, der Betreuung von Kindern und Angehörigen sowie Qualifizierungsmaßnahmen und Betriebspraktika einen deutlich höheren Stellenwert einräumen als Geschäftsführer/innen der beiden anderen Modelle. Demgegenüber betonen die Geschäftsleitungen der ARGEn stärker Beschäftigungsgelegenheiten am 2. Arbeitsmarkt sowie finanzielle Anreize für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Beispiele: Insgesamt lässt sich festhalten, dass die zugelassenen kommunalen Träger bei der Zielgruppe U25 besonders stark mit der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe sowie mit Trägern der freien Jugendhilfe kooperieren, wohingegen die ARGEn vor allem zusammen mit den Agenturen für Arbeit Konzeptionen zur inhaltlichen Gestaltung von Fördermaßnahmen für Jugendliche entwickeln und auch eine systematische Planung und Kooperation an dieser Schnittstelle betreiben.
Bei den Kooperationen, die v.a. auf die Gruppe der Ü25 ausgerichtet sind, ist eine eindeutig stärkere Vernetzung der zkT festzustellen. Dies betrifft die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaftsförderung und die Kooperation im Bereich der sozial integrativen Leistungen.  Zugelassene kommunale Träger arbeiten zu 91% mit der kommunalen Wirtschaftsförderung zusammen, ARGEn zu 67%. Diese enge Zusammenarbeit zwischen zkT und Wirtschaftsförderung ersetzt zum Teil (vgl. dazu unten) auch die Kooperation mit der Arbeitsagentur bei der Stellenakquisition. Bei den sozialintegrativen Leistungen wird die Schuldnerberatung in zkT überdurchschnittlich häufig von freien Trägern durchgeführt (67% der zkT, 59% bei den ARGEn). Nur etwa 28% der ARGEn, aber 84% der zkT waren an der Angebotsplanung im Rahmen der Schuldnerberatung beteiligt. Bei der Erstellung bzw. Weiterentwicklung der Eingliederungsvereinbarungen berücksichtigen 36% der ARGEn und 54% der zkT die Ergebnisse der Schuldnerberatung. Regelmäßige Abstimmungen zwischen Beschäftigten des Bereichs Eingliederungsleistungen und der Schuldnerberatung gibt es in gut der Hälfte aller ARGEn (54%), aber bei zwei Dritteln der zkT (67%).  Bei der Sucht- und Drogenberatung übertragen zkT die operative Durchführung häufiger an freie Träger als ARGEn (80% der zkT, 62% der ARGEn). Auch bei der Sucht- und Drogenberatung werden zkT häufiger in die Angebotsplanung eingebunden (65% der zkT, 21% der ARGEn). Regelmäßige Abstimmungen zwischen Mitarbeiter/innen des Bereichs Eingliederungsleistungen sowie der Sucht- und Drogenberatung finden bei zkT häufiger statt (66% bei zkT, 55% bei ARGEn). Die Kapazitäten sowohl für Schuldner- als auch Sucht- und Drogenberatung werden von den zkT im Durchschnitt günstiger eingeschätzt als von ARGEn (Angaben für gut oder sehr gut):   Schuldnerberatung: zkT 54%, ARGEn 38%,   Sucht- und Drogenberatung: zkT 70%, ARGEn 42%. Auch bei der Kinderbetreuung gibt es Unterschiede zwischen den Formen der Aufgabenwahrnehmung (Jahresbericht 2007 Untersuchungsfeld 1, S. 126ff):   Bei der Kinderbetreuung, deren Kapazitäten in zkT eher besser eingeschätzt werden, werden von den zkT zum Teil auch – nach Angaben der befragten Grundsicherungsstellen – mehr spezielle Angebote für erwerbsfähige Hilfebedürftige vorgehalten als von ARGEn.   Mitarbeiter/innen in zkT bemühen sich nach eigenen Angaben zudem eher selbst um die Sicherstellung der Kinderbetreuung, während ARGEn eher an zuständige Stellen verweisen. Die zugelassenen kommunalen Träger nutzen somit die Kooperationsmöglichkeiten, die sich institutionell ergeben (Wirtschaftsförderung, Kinderbetreuung etc.) und solche, die sie zu Zeiten der Sozialhilfe aufgebaut haben, weiterhin intensiv, vor allem bei den sozial integrativen Leistungen. ARGEn haben hier noch einen gewissen Nachholbedarf. Allerdings dürfen diese Befunde nicht überinterpretiert werden, sie beschreiben in erster Linie Konzepte und Strukturen – und zwar aus Sicht der Grundsicherungsstellen selbst – und nicht deren reale Auswirkungen auf die Hilfebedürftigen. Die Sichtweise der Hilfebedürftigen relativieren die hier dargestellten Befunde zum Teil deutlich.

Wirkung und Erfolg
Analysiert man die Angaben der Befragten zu den Gründen für die Beendigung der Hilfebedürftigkeit, erstellt daraus einfache Austrittsraten aus der Hilfebedürftigkeit und vergleicht diese für die unterschiedlichen Modelle der Aufgabenwahrnehmung, so zeigt sich, dass die durchschnittliche Austrittsrate aus dem Leistungsbezug in Kreisen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung am höchsten ist, gefolgt von Regionen mit zugelassenem kommunalen Trägern. Insgesamt haben im Schnitt fast 17% der Männer, die im Oktober 2006 hilfebedürftig waren und in Kreisen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung lebten, das Grundsicherungssystem bis zum Befragungszeitpunkt verlassen. Bei den beiden anderen Modellen der Aufgabenwahrnehmung betrugen diese Anteilswerte rund 14% (zkT) und ca. 12% (ARGEn). Die entsprechenden Austrittsraten für Frauen liegen jeweils etwas darunter. Die Analyse der einzelnen Austrittsgründe ergab keine nennenswerten signifikanten Unterschiede zwischen den Modellen der Aufgabenwahrnehmung. Für die Austritte aus dem Leistungsbezug insgesamt zeigen sich jedoch für Frauen signifikant höhere Austrittsraten bei den zugelassenen kommunalen Trägern und für beide Geschlechter in Regionen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung jeweils im Vergleich zu Kreisen mit Arbeitsgemeinschaften. Allerdings muss betont werden, dass bei diesen Vergleichen regional aggregierter Mittelwerte um keine weiteren Charakteristika der betrachteten Regionen kontrolliert wurden. Insbesondere finden hierin die Unterschiede in den Startbedingungen sowie die Heterogenität hinsichtlich der Zusammensetzung des Kundenkreises keine Berücksichtigung. Aus diesem Grund dürfen die erwähnten Differenzen zwischen den Modellen der Aufgabenwahrnehmung keinesfalls kausal interpretiert werden. Sie bieten lediglich einen ersten, rein beschreibenden Überblick über die Gründe für die Beendigung des Leistungsbezugs von Personen, die im Oktober 2006 hilfedürftig waren und bis zum Befragungszeitpunkt der ersten Welle der Kundenbefragung das Grundsicherungssystem verlassen hatten.

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