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Beschluss kommunal 2010: Neue Kraft für Städte und Regionen

Am 19. und 20. November 2010 hat die KPV auf ihrem „Kongress-kommunal“ in Weimar den Beschluss „Neue Kraft für Städte und Regionen“ gefasst. Mit ihm möchte die KPV die Weichen für die Zukunft stellen. Ziel ist ein neuer Ansatz bei der Entwicklung der Gemeinden, Städte und Landkreise in Deutschland.

Die Kommunalpolitische Vereinigung von CDU und CSU Deutschlands will einen neuen Ansatz bei der Entwicklung der Gemeinden, Städte und Landkreise in Deutschland. Im Wettbewerb untereinander und in der europäischen Union müssen wir neue Kraft für Städte und Regionen bei uns entwickeln. Unsere Gesellschaft wandelt sich – christlichdemokratische und christlich-soziale Kommunalpolitik setzt auch heute bei der Bewältigung der Herausforderungen auf die Prinzipien von Selbstverantwortung und Subsidiarität, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeit auch für die kommenden
Generationen.

Kommunale Selbstverwaltung muss mehr denn je Innovationsmotor und Kern aktiver Bürgergesellschaft sein. Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker der Union wollen sich deshalb vor Ort für eine zukunftsfähige Politik einsetzen, die sich vorausschauend mit den strategischen Fragen und der langfristigen Steuerung der Entwicklung der Städte und Regionen beschäftigt.

Nach 20 Jahren Wiedervereinigung können wir stolz auf die Leistungen vor Ort blicken. Aktive Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben Kommunale Selbstverwaltung im geeinten Deutschland mit Leben erfüllt. In den Gemeinden sind großartige Erfolge erzielt worden. Dorferneuerung, Stadtumbau, Investitionen in die Infrastruktur zeigen deutlich den Fortschritt.

Die Herausforderungen der kommenden Jahre sind offensichtlich: Die Fragen des demographischen Wandels, der Migration und Integration, der Qualität von Bildung, des Wettbewerbs um Einwohner und Arbeitsplätze müssen vor Ort beantwortet werden. In einem Geflecht der Vermischung von Zuständigkeiten und von Mischfinanzierungen ist bedauerlicherweise der „Goldene Zügel“ nach wie vor das Instrument zur zentralen Steuerung. Im Spannungsverhältnis von Rat und Verwaltung, von direktgewählten (Ober-) Bürgermeistern/Landräten und ehrenamtlicher Kommunalpolitik müssen die Kräfteverhältnisse immer wieder neu austariert werden.

Wollen wir in Zukunft weiterhin kompetente Bürgerinnen und Bürger, die möglichst breit das Gesellschaftsspektrum abbilden, für die ehrenamtliche Kommunalpolitik gewinnen, so müssen wir den Einfluss und den Gestaltungsspielraum zurückerobern.

1. Gemeinde- und Stadtentwicklung ist Kernaufgabe der Kommunalpolitik

In welcher Art und Weise und in welche Richtung sich eine Gemeinde entwickeln soll, muss vor Ort entschieden werden können. Nicht die Verwaltung und auch nicht selbstberufene Interessengruppen sollen diesen Prozess der Zielbestimmung in Händen halten. Gemeinde- und Stadtentwicklung ist die Kernaufgabe der repräsentativ gewählten Gremien vor Ort. Die Kommunalpolitiker müssen mit den Einwohnern die notwendigen Zielkonflikte lösen. Nur sie sind legitimiert die Interessen zum Ausgleich zu bringen und die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Sicherlich müssen Entscheidungen vor Ort auch mit Blick auf das Umland und die Region getroffen werden. Vorgaben anderer Ebenen in Planungsräten o.ä. sollten weitgehend zurück genommen werden. Gemeinde- und Stadtentwicklung ist das Instrument der Kommunalpolitik, um ernsthaft und zielführend die Beteiligung und Teilhabe der Menschen zu gewährleisten. Es ist ferner die Frage zu stellen und zu beantworten, ob Planungs-, Abstimmungs-, Kostenbeurteilungs- und Beteiligungsrechte zeit- und sachgerecht sind. Die Entwicklungen um Stuttgart 21 zeigen, dass auch die Bedeutung der begleitenden Kommunikation bei für die Gemeinde- und Stadtentwicklung bedeutsamen Vorhaben zu beurteilen und neu zu beantworten ist.

2. Handlungsfähigkeit für das kommunale Ehrenamt herstellen

Kommunalpolitik muss sich in Zukunft auf die zentralen strategischen Fragen der Entwicklung der Kommune konzentrieren. Dafür bedarf es einer Diskussion mit den Einwohnern über das Leitbild einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils. Die Verwaltung muss Kommunalpolitik bei der Zielentwicklung und Bürgerbeteiligung unterstützen. Die Verwaltung sollte die bestehenden Strukturen analysieren und  Handlungsalternativen erarbeiten. Es kann nicht sein, dass Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Verwaltung und betroffenen Einwohnern ausgehandelt werden. Unter dem Deckmantel der Bürgerbeteiligung darf keine weitere Aushebelung der repräsentativen Demokratie erfolgen. Ehrenamtliche Kommunalpolitik ist der Kern bürgerschaftlichen Engagements. Die Prozesse der Stadtentwicklung müssen zukünftig stärker durch die Kommunalpolitik gesteuert und beeinflusst werden. Partikularinteressen müssen ihre Wirkung entfalten aber letztendlich in den organisierten Interessenausgleich im Gemeinde- bzw. Stadtrat eingebunden werden.

Eine Verselbständigung von Institutionen vor Ort bspw. im Quartiersmanagement ohne politische Steuerung muss vermieden werden. Die Kommunalpolitik muss ihrer Aufgabe gerecht werden, die unterschiedlichen Interessen zu bündeln und auch diejenigen zu berücksichtigen, die als „schweigende Mehrheit“ vielfach als Leistungsträger unserer Gesellschaft, nicht die Zeit aufbringen sich an der Meinungsbildung direkt zu beteiligen.

3. Kommunalpolitik ertüchtigen statt bevormunden

Über Jahrzehnte wurde schleichend die Kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Immer neue Aufgaben, immer detailliertere Regelungen, verschärfte Standards durch die Länder und den Bund haben Kommunalpolitik in ihrer Attraktivität und Strahlkraft schwer geschädigt. Die Finanzautonomie der Kommunen muss neu begründet werden.

Kommunen müssen in Zukunft wieder mehr Verantwortung übernehmen können. Dazu bedarf es einer echten und strengen Konnexität.

Das Spannungsverhältnis zwischen Stadt und umliegenden Gemeinden und Kreisen kann durch Kooperationen auf Augenhöhe in Sachfragen und finanziell durch vernünftige Finanzausgleichsinstrumente entschärft werden. Kommunale Kooperation und institutionelle Zusammenarbeit müssen im Finanzausgleich belohnt werden. Dadurch kann die Bereitschaft vor Ort zur Interkommunalen Zusammenarbeit erheblich gesteigert werden.

Wir brauchen den Mut zur Öffnung des starren Systems der einheitlichen Standards, Verordnungen, Richtlinien, sonstige Vorgaben und Normierungen (z.B. DIN, Brandschutz). Der Kommunalen Selbstverwaltung sollte die Möglichkeit eröffnet werden, von Regelungen abzuweichen. Dazu bedarf es einer Änderung des rechtlichen Rahmens, aber auch der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürgern unter Umständen Risiken wieder selber zu tragen. Wir wollen Modellregionen, in denen der Prozess des Umdenkens befördert wird und der neue Handlungsspielraum dazu genutzt wird, Ressourcen effizienter einzusetzen. Wir müssen in Zukunft mit weniger Geld mehr bewirken.

Für die Stadtentwicklung bedeutet das in der Förderpraxis Zweckgebundene Mittel für Stadtentwicklung.

4. Förderpolitik konzentrieren
Die „Städtebauförderung“ ist ein grundsätzlich erfolgreiches Instrument der Kommunen, der Länder und des Bundes zur Funktions-, Substanz- und Strukturverbesserung vor Ort. Vielfältige Förderprogramme sind auf funktionierende Innenstädte und Ortszentren und die Behebung sozialer Missstände gerichtet. Förderprogramme müssen berücksichtigen, dass bestimmte Gemeinden mit besonderen städtebaulichen Problemlagen fertig werden müssen, die einer nationalen oder manchmal sogar globalen Verantwortung entspringen oder einen gesellschaftlichen Wandel initiieren sollen. Dazu gehören beispielsweise die Politikfelder Klimaschutz, Energieeffizienz, soziale Segregation und Integration und die Strukturmerkmale Demographiefestigkeit und Stärkung der Selbstverantwortung.

Deshalb müssen die zukünftigen Förderprogramme des Bundes und der Länder stärker gebündelt werden und sich stärker an den Strukturmerkmalen messen lassen. Wir wollen die Stärkung der ehrenamtlichen Kommunalpolitik zur Steuerung der Stadtentwicklungsprozesse und die Entwicklung des kommunalpolitischen Personals.

Wir wollen, dass vor Ort die Förderprogramme inhaltlich ausgestaltet werden müssen und Projekte gefördert werden, die eine kleinteilige funktionierende Struktur vor Ort aufbauen. Wir wollen demographiefeste Projekte, die den Änderungen der Bevölkerungsstruktur in der Zukunft gerecht werden. Wir wollen eine Förderstruktur ohne bürokratische Hürden mit einfachen internetgestützten Verfahren.

5. Bund steht bei der Neuordnung der Gemeindefinanzen in der Pflicht

Bestehende Leistungsgesetze des Bundes müssen hinsichtlich ihrer Kostenwirkung bei den Kommunen analysiert und quantifiziert werden. Für die vom Bund veranlassten und gesetzlich geregelten Sozialbereiche sind die Ausgaben zu verringern oder ist eine höhere Beteiligung des Bundes notwendig.

Die bestehenden Leistungsgesetze sind an die unterschiedlichen regionalen Lebensbedingungen anzupassen. Den Ländern sollte die Möglichkeit eröffnet werden mehr vor Ort zu gestalten und individuell zu entscheiden. Damit können Subsidiarität und Kommunale Selbstverwaltung einen neuen Stellenwert bekommen. Kommunen werden im Wettbewerb um Einwohner gestärkt.

Im Rahmen der Gemeindefinanzkommission muss ein Konzept zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen entwickelt werden. Es bedarf einer kostendeckenden Sockelfinanzierung der Kommunen für die vom Bund zugewiesenen Aufgaben beispielsweise aus der Umsatzsteuer.

Zu den Grundlagen einer kommunalen Finanzausstattung gehört grundgesetzlich eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

Diese kommunale Besteuerung findet ihre Rechtfertigung darin, dass sie ein „Äquivalent“ für die Inanspruchnahme der kommunalen Infrastruktur ist. Es gibt drei Gruppen, die die kommunale Infrastruktur zu unterschiedlichen Zwecken in Anspruch nehmen: Eigentümer von Liegenschaften, Einwohner und Wirtschaftende:

Die Grundeigentümer werden von der Grundsteuer erfasst. Per Hebesatz, den der Gemeinde- bzw. Stadtrat beschließt, besteht ein enges Band zwischen Eigentümern und Gemeinde. Die Grundsteuer ist nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nach vielen Jahren der Diskussion zu reformieren.

Die Einwohner finanzieren über den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer schon heute die Gemeinden und Städte. Die KPV prüft, den prozentualen Gemeindeanteil an der Einkommensteuer durch ein gemeindeeigenes Hebesatzrecht auf diesen Teil zu ergänzen.

Die Gewerbesteuer soll durch ein Hebesatzrecht auf den Erfolg der wirtschaftlichen Aktivitäten insgesamt erweitert werden. Angewendet werden soll dies auf die Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten bzw. die Gewinne bei den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit, freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung und Verpachtung, sofern sie den Charakter der Vermögensverwaltung überschreiten, sowie Land- und Forstwirtschaft. Eine Beschränkung der Gewerbesteuer auf Gewinne ohne jede Hinzurechnung ist solange abzulehnen, solange nicht ein adäquater Ersatz vereinbart ist.

Die Kommunen sind durch die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände bei der Folgenabschätzung der Gesetzgebung des Bundes und der europäischen Union zu beteiligen. Es geht dabei auch um mittelbare Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen meist durch ihre Auswirkungen im sozialen Bereich. Eine grundsätzliche zeitliche Befristung von Gesetzen oder eine generelle Einführung einer Revisionsklausel zur Überprüfung der Leistungsgesetze können die Auswirkungen auf die Kommunen berücksichtigen, wenn sich Rahmenbedingungen geändert haben. Hinsichtlich der tatsächlichen Wirkungen im Verlauf des Gesetzesvollzugs kann der  Bundesrechnungshof bzw. können die Landesrechnungshöfe die notwendigen Überprüfungen durchführen. In den Gremien der Kommunalen Spitzenverbände sind ehrenamtliche Kommunalpolitiker stärker zu beteiligen.

6. Strategien für die kommunale Daseinsvorsorge durchsetzen

In der Kommunalen Selbstverwaltung muss geprüft werden, was von jedem Einzelnen erwartet werden kann und was die örtliche Gemeinschaft übernehmen muss. Kommunen können überfordert sein. Bevor staatliche Ebenen bestimmte Aufgaben übernehmen, die von Kommunen nicht erledigt werden können, muss nach den Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die Übernahme geprüft und begründet werden. Welche Leistungen der Daseinsvorsorge von der Kommune gewährleistet werden sollen, müssen die Menschen vor Ort in der Kommunalen Selbstverwaltung selber beschreiben und die unterschiedlichen Interessenlagen zum Ausgleich bringen. Es geht um Versorgungssicherheit, Qualitätsbestimmung, Preistransparenz und Sozialverträglichkeit.

Es muss eine definiertes Angebot von Leistungen und die kontinuierliche Überprüfung der Qualität sichergestellt werden. Die Leistung kann durch private Unternehmen, in Kooperation mit diesen oder durch kommunale Unternehmen oder die Kommune selbst bzw. in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen erbracht werden. Wenn Privaten eine Aufgabe übertragen wird, müssen besondere Maßnahmen zum „Ausfallschutz“ getroffen werden. In strukturschwächeren Gebieten müssen Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, die Daseinsvorsorge zu gewährleisten.

Grundsätzlich müssen der Zugang und die Versorgung aller Menschen zu akzeptablen Preisen in allen Regionen Deutschlands gewährleistet sein (Zugangsgerechtigkeit und sozialer Friede). Dies erfordert laufende und rentable Investitionen in die Infrastruktur, einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen und eine dauerhafte Leistungserbringung bei definierter Qualität. Eine Finanzierung darf die nächsten Generationen nur so belasten, wie es der Nutzen erlaubt.

Überschaubare Größenordnungen und klare Strukturen erleichtern die Steuerung vor Ort und reduzieren Abhängigkeiten. Dies gilt für die Kommunen, deren Unternehmen, aber auch für private Partner.

7. Energie effizient einsetzen statt Ressourcen verschwenden

Zur Sicherung unseres Wohlstandes und des sozialen Friedens wird die Versorgung mit Energie eine zentrale Rolle einnehmen. Dezentrale Erzeugung und große Varianzen im Verbrauch müssen zur Deckung gebracht werden.

Die Energieerzeugung kann nur langfristig überwiegend auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Die Errichtung zusätzlicher, kurzfristig einsetzbarer Kraftwerke, großräumige, auch transnationale Netzverbindungen sowie ein erheblicher Ausbau der Verteilnetze sind daher genauso erforderlich wie neue Speichertechnologien und die Etablierung von Energiemanagementsystemen. Zusätzlich zur  Fortentwicklung der Erzeugungs- und Netzstrukturen sowie zum Einsatz von neuen Speichertechnologien müssen die Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz erschlossen werden, vor allem durch den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und der Energiedienstleistungen.

Kommunale Energiewirtschaftsunternehmen sichern für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die mittelständische Wirtschaft elementare Grundbedürfnisse der Daseinsvorsorge. In enger Kooperation mit Städten und Gemeinden unterstützen sie die nachhaltige Entwicklung der Städte und Regionen.

Bei steigenden Energiepreisen werden energetische Sanierungen von Wohngebäuden nur dann rentabel, wenn die Refinanzierung bei Eigentümern und Nutzern langfristig gesichert wird. In diesem Zusammenhang sind weiterhin breite Förderprogramme notwendig, die Anreize schaffen um effizient Energie zu sparen und CO2 Immissionen zu verringern. Dabei müssen immer die Energiebilanzen insgesamt betrachtet werden; beispielsweise darf die energetische Sanierung von Gebäuden nicht mit Produkten, die energieintensiv oder CO2 imitierend hergestellt wurden, erfolgen. Eine energetische Zwangssanierung insbesondere im Denkmalschutz lehnen wir ab.

Die wirkungsvolle und effektive Einbindung der Kommunen in diesen Prozess der Entwicklung und Einführung der Elektromobilität in Deutschland ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Kommunen können im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge Ladeinfrastrukturen schaffen und die diskriminierungsfreie Stromlieferung gewährleisten. Ein Tausch der Abhängigkeit von erdölproduzierenden Staaten mit einer neuen Abhängigkeit von stromproduzierenden Energieversorgungsunternehmen, die auch die Ladeinfrastrukturen stellen, muss vermieden werden.

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